Na, kommen da nicht Heimatgefühle auf, sobald Du den deutschen Pavillon in Epcot betrittst?
Wie? Nicht so ganz, weil Dein Deutschland doch ein wenig anders aussieht? Natürlich wird in den Länderpavillons rund um den World Showcase mit Stereotypen gearbeitet und uns als Deutschen fällt das wahrscheinlich in „unserem Pavillon“ besonders auf. Aber dennoch geben letztlich die Pavillons die Stimmung in den Ländern, oder in Bereichen davon, sehr gut wieder und in den einzelnen Gestaltungselementen haben die Imagineers auf eine, wenn auch auf kleinen Raum massierte, authentische Gestaltung geachtet.
Der deutsche Pavillon stellt den Marktplatz einer kleinen Stadt in Bayern dar. Allerdings stammen nicht alle dargestellten Gebäude auch wirklich aus Bayern, wie es Disney immer wieder zum Vorwurf gemacht wird, sondern aus verschiedenen Teilen Deutschlands und aus den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die einzelnen Gebäude stammen aus dem 13. bis 17. Jahrhundert.
Im Zentrum des zentralen Platzes steht eine Statue des Heiligen Georg bei seinem Kampf gegen den Drachen, die von der entsprechenden Statue in Rothenburg ob der Tauber inspiriert ist. Die Stadt Rothenburg ob der Tauber, gelegen in Bayern das somit das erste repräsentierte Bundesland ist, ist für ihre mittelalterliche Architektur bekannt und gehört außerdem zu den US-Touristen meist besuchten Städten Deutschlands. Sie war somit eine offensichtliche Wahl für die Grundszenerie des Pavillons.
Mit der Hintergrundkulisse des Pavillons begeben wir uns aber schon deutlich weiter in den Norden. Die Hintergrundkulisse folgt in der Gestaltung den Mauern zweier mächtiger Festungen – der Burg Stahleck im Mittelrheintal bei Bacharach einerseits und den, niemals eroberten, Mauern von Burg Eltz andererseits - beide in Rheinland-Pfalz gelegen.
Die mächtigen Mauern dieser beiden Burgen, deren Bau auf das 11. bzw. 12. Jahrhundert zurückgeht, beschützen so wehrhaft das idyllische, prototypische deutsche Städtchen, an dessen Marktplatz sich eine Vielzahl an Gebäuden mit Geschäften und Restaurants befindet.
Die Burg Eltz, gelegen im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel, gehört zu den Burgen, die niemals erobert wurden. Noch dazu befindet sie sich nach nunmehr ca. 900 Jahren ihrer Existenz immer noch im Besitz der selben Familie, in der nun 34. Generation. Erstmals erwähnt wurde die Burg 1157 in einer Schenkungsurkunde von Friedrich I. Barbarossa, in der der Besitzer der Burg, "Rudolfus de Elze" als Zeuge benannt wird. Heute sind Burg und das zugehörige Museum in den Sommermonaten für Besichtigungen zugänglich. Das Museum ist, neben seiner Ausstellung bedeutender Kunstwerke, wie etwa von Lucas Cranach dem Älteren, auch für seine Sammlung an Kuriositäten bekannt.
Die Burg Stahleck zählt zu den markantesten Burgen des Mittelrheintales. Die zu Ende des 11. oder zu Beginn des 12. Jahrhunderts errichtete Burg, war bis ins 19. Jahrhundert im Besitz der Wittelsbacher. Seit 2002 zählt sie, im Rahmen des Oberen Mittelrheintales zum UNESCO-Welterbe. Sie gilt, zusammen mit Schloss Stolzenfels und Burg Rheinstein, als einer der maßgeblichen Faktoren für das Aufkommen der Literatur und Kunst der Rheinromantik im 19. Jahrhundert.
Das dominanteste der Gebäude, das die Rückseite des Platzes selbst bildet und in dem sich das Restaurant Biergarten befindet, entstammt dabei, wie auch die St. Georgs-Statue, dem bayrischen Städtchen Rothenburg ob er Tauber. An der bayrisch inspirierten Fassade finden sich die Wappen der 16 Bundesländer Deutschlands. Symbol dafür, dass der Pavillon für mehr, als nur ein Land steht. Der zentrale Uhrturm mit seinem Glockenspiel erinnert an die Nordfassade des Siebersturmes in Rothenburg ob der Tauber - vor allem das Ziffernblatt ist diesem nachempfunden. Im Gegensatz zur Version in Epcot hat der Siebersturm aber kein Glockenspiel. So ist das Glockenspiel in Epcot der Fantasie der Imagineers entsprungen und erinnert an Glockenspiele, die sich an vielen anderen Orten im Süden Deutschlands finden lassen.
Weiter in Richtung Eingang des Pavillons, auch an der, vom Eingang aus gesehen, linken Seite des Pavillons, befindet sich ein weiteres Gebäude aus Rothenburg, das Hegereiterhaus. Das im 16. Jahrhundert erbaute Gebäude war Teil des Spitalshofes der Stadt und diente unter anderem dem Spitalbereiter, der zusammen mit dem Spitalmeister den Betrieb des Spitals leitete, als Wohnhaus. Außerdem war dort die Verwaltung der Güter des Rothenburger Spitals sowie die Spitalküche untergebracht. Heute zählt es zu den bekanntesten Häusern der Stadt.
Links von der bayerisch inspirierten Rückfassade gelegen, findet man ein berühmtes Gebäude aus Hessen - den Frankfurter Römer. Der Frankfurter Römer ist seit dem 15. Jahrhundert das Rathaus der Stadt Frankfurt am Main und gehört mit einer charakteristischen Treppengiebelfassade zu den Gebäuden, die den Platz des Römerberges in Frankfurt am meisten prägen. Im deutschen Pavillon findet man eine Darstellung des mittleren der ursprünglich drei eigenständigen Gebäude, des eigentlichen "Haus am Römer". Der Römer beherbergt als einen seiner bedeutendsten Räume unter anderem die Römerhalle, in der ab 1612 die auf die Kaiserwahl folgenden Krönungsbankette der Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation stattfanden. Auch der berühmte Balkon des Römers, auf dem sich traditionell die deutschen Fußballnationalmannschaften nach mehr oder weniger erfolgreichen Rückkehr von internationalen Turnieren präsentierten, bevor diese Zeremonie teilweise nach Berlin wechselte, darf am Gebäude nicht fehlen. Was in Epcot allerdings fehlt, sind die vier Figuren der deutschen Kaiser Friedrich I., Ludwig IV., Karl IV. und Maximilian II. oberhalb des Balkons. Dafür finden aber an einem anderen Gebäude des deutschen Pavillons in Epcot mehrere Kaiserfiguren.
Aus Baden-Württemberg, aus Freiburg, stammt das Historische Kaufhaus mit seinen berühmten Figuren der Habsburger Herrscher an der Fassade, dass sich gleich rechts des Eingangs des deutschen Pavillons in Epcot befindet.
Beim Historischen Kaufhaus aus Freiburg, das heute vor allem für Veranstaltungen genutzt wird, mussten die Imagineers etwas den begrenzten Flächen für jeden Pavillon Tribut zollen. Während sich am Original die Statuen von vier Habsburger Kaisern befinden, Philip I., Karl V., Ferdinand I und Maximilian I, musste in der Version in Epcot Maximilian leider weichen, da die Fassade gekürzt werden musste. Das Historische Kaufhaus gehört zu den wichtigsten historischen Gebäuden von Freiburg im Breisgau. Seine imposante Fassade dominiert die Südseite des Münsterplatzes in Freiburg. Das zwischen 1520 und 1532 erbaute Gebäude, das zunächst als kommunales Kaufhaus, für die städtische Marktverwaltung, für die Zollabwicklung und den Warenumschlag diente, beherbergt heute unter anderem den bekannten Kaisersaal als Veranstaltungssaal. Von 1947 bis 1951 war hier auch das Parlament des Bundeslanden Baden untergebracht, bevor dieses 1952 mit Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden zum Bundesland Baden-Württemberg vereinigt wurde.
Eine Attraktion kannst Du im deutschen Pavillon (Details siehe weiter unten auf dieser Seite) leider nicht finden, aber als Quasi-Ersatz dafür dient der Biergarten, ein besonders geselliges Restaurant, das, vor allem in passender Begleitung (Du wirst zufällig mit anderen Gästen an einen Tisch gesetzt) zu besonders amüsanten und lustigen Abend einlädt.
Auch die liebevoll gestaltete Modelleisenbahn, die ihre Inspiration aus der Romantikstraße zwischen Füssen und Würzburg zieht und an das einstmals liebste Hobby vieler deutscher Männer, den Bau von Modelleisenbahnen, erinnert - welcher Vater hatte in den 70er oder 80er Jahren keine Modelleisenbahn der Spurweite "H0" im Keller und baute Stunden um Stunden an dieser, ließ Züge fahren und Signale ertönen? - ist durchaus eine Attraktion für sich!