Heavenly Flight – David Tolley und die Musik des Discoverylands
10.11.14, 15:00 |
Scoring the Music for Discoveryland – David L. Tolley
Im Rahmen der Konferenz “Here You Leave Today – Time and Temporality in Theme Parks“, die im September an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz stattgefunden hat, hielt David L. Tolley, der Komponist der Hintergrundmusik des Discoverylands im Disneyland Paris, einen Vortrag über seine Arbeit.
Während seines gesamten Vortrags spielte er kurze oder längere Passagen auf dem Keyboard, um seine Gedanken und Ideen zu untermalen. Dieses Vorgehen war sehr eindrucksvoll und hat sehr gut zum Verständnis seiner Arbeitsweise beigetragen, lässt sich in diesem Artikel aber leider nicht in dieser Form wiedergeben. Daher beschränken wir uns hier auf die wesentlichen Aussagen zu seiner Arbeit an der Musik für das Discoveryland und verraten Euch auch, wie es überhaupt zu diesem Engagement gekommen ist. Natürlich gibt es wollen wir Euch auch eine kleine Hörprobe des musikalischen Könnens, die wir im Rahmen des Vortrags aufzeichnen konnten, nicht vorenthalten.
Wie kam es zum Engagement?
Ein Zufall oder eine glückliche Fügung? Die Geschichte ähnelt einem Hollywood-Märchen.
Zur damaligen Zeit, also um 1990 herum, beschäftige David Tolley sich vorwiegend mit Cartoons bzw. ihrer musikalischen Untermalung, spielte aber auch in einer Rockband und hatte ein Engagement in einer Piano-Bar. In dieser Bar spielte er eines Abends Klavier als er mit einem Gast ins Gespräch über Computer und Musik kam. Vornehmlich ging es darum wie Computer im Aufnahmestudio eingesetzt werden. Der Gast lud ihn daraufhin ein, bei Disney einen Vortrag über Musik und Computer zu halten. Am Ende des Vortrags überreichte David Tolley einem der Disney-Mitarbeiter eine gerade produzierte CD. Etwa einen Monat später kam Disney auf Tolley zu, da auf der CD einige Titel waren, die genau den Stil hatten, den sich die Verantwortlichen bei Disney für das Discoveryland vorgestellt hatten, und boten ihm den Job an, die Hintergrundmusik für eben diesen Themenbereich im neuen Themenpark in Paris zu komponieren.
Nicht unbedingt der klassische Weg, um an einen solchen Job zu kommen, aber das ist eben das Märchenhafte daran.
Wie entstand die Musik für das Discoveryland?
Als Vorlage für seine Arbeit hatte Tolley nur wenige Anhaltspunkte, einige Konzeptzeichnungen und Entwürfe des Themenbereichs, außerdem einige Stichworte, die Disney ihm vorgab: Fly Music, Filmmusik, glorreich, verschmitzt, Disney, Spaß, mysteriös, spazieren, zeitlos. Dazu erhielt er ein selbst gedrehtes Video der Imagineering-Abteilung, das die Feuer- und Wassereffekte, die in den ersten Jahren des Resorts in den Crater Pools zu sehen waren, nachstellte. Außerdem erhielt er die Vorgabe, französische Elemente in die Musik einfließen zu lassen, damit sich die Franzosen und die Europäer generell darin wiederfinden können.
Auf Basis dieser Elemente sollte eine einstündige Komposition entstehen, die Tag für Tag in Endlosschleife im Discoveryland laufen sollte. Eine Herausforderung für jeden Musiker, da diese Herangehensweise sehr unkonventionell ist. In der Regel beinhalten Vorgaben Namen oder Stücke von Musiker, an denen sich der Komponist dann orientieren kann. Doch in diesem Fall lief alles ein bisschen anders ab.
Worte, Gedanken und Bilder mussten in Musik umgesetzt werden, in disneymäßige Musik. Und diese Musik musste nicht auf einer Bühne wirken, sondern in einem Freizeitpark.
Die Herausforderung lag nun unter anderem darin, das Treiben im Park einzufangen, um eine passende Stimmung zu erzeugen.
Eine weitere Herausforderung lag in der Kürze der Zeit (von maximal sechs Monaten), die zur Verfügung stand. Daher bestand keine Möglichkeit, die Komposition mit einem großen Orchester einzuspielen und Tolley übernahm kurzerhand selbst die Rolle des Orchesters: Alle Instrumente, ob Schlaginstrumente, Streicher oder Blechblasinstrumente spielte er selbst, um rechtzeitig fertig zu werden.
Um die Sache etwas zu erleichtern, unterteilte David Tolley die 60 Minuten in jeweils fünfminütige Abschnitte, in denen er jeweils ein Thema in den Vordergrund rückte, zum Beispiel das Mysteriöse oder das Glorreiche. Auf diese Weise konnte er die einzelnen Ideen zur Geltung bringen und ihnen so genügend Platz einräumen. Gleichzeitig war dieses Vorgehen auch eine Art Sicherheitskonzept, sollte den Verantwortlichen bei Disney etwas an der Komposition nicht gefallen, wäre es leichter, einzelne Passagen zu verändern oder zu ersetzen, als das ganze Stück neu zu komponieren.
Hier ein Video von Heavenly Flight, gespielt bei der Konferenz, in dem David Tolley beim Spielen auch einige Erläuterungen zur Entstehung und zum Musikstil gibt:
Auch bei seinen Auftritten spielt David Tolley das Stück regelmäßig – wie hier bei seinem jährlichen Weihnachtskonzert in der Presbyterian Church in Liberty, Ohio:
Über David Tolley
David Tolley stammt aus Dublin, Ohio. Dort wuchs er als siebstes von acht Kindern auf. Schon im Alter von fünf Jahren begann er auf dem Klavier herumzuklimpern und mit sieben Jahren bekam er dann Klavierunterricht. Damit war der Weg für ihn im Prinzip vorgezeichnet, denn seine Leidenschaft für Musik war nicht nur geweckt, er konnte sie sogar ausleben. Nach dem Schulabschluss studierte er an der Ohio State University Musik. Dort begann er auch seine Doktorarbeit, die er allerdings unterbrach, um ins Showgeschäft in Los Angeles einzusteigen.
Dazu hatte er die Gelegenheit, nach einem überraschenden Auftritt in der Johnny Carson Show im Dezember 1985. Der Pianist, der in der Sendung auftreten sollte, war kurzfristig ausgefallen, weil er sich direkt vor dem Auftritt die Hand in der Autotür eingeklemmt hatte, Carson suchte während der Show nach einem spontanen Ersatz aus dem Publikum. Die Wahl fiel auf David Tolley, der durch diesen Auftritt im ganzen Land bekannt wurde.
Dies bedeutete den Durchbruch, denn von nun an war Tolley für verschiedenen Fernsehsender, aber auch für Steven Spielberg und das Disneyland Paris tätig. Er komponierte mehrere Musicals, war zweimal für den Grammy nominiert und spielte im Weißen Haus für die US-Präsidenten Ford, Regan, Bush sen. und Clinton.
Nach 20 Jahren in Los Angeles zog es David Tolley dann zurück in die Heimat, wo er seinen Doktortitel erwarb. Inzwischen ist er an der Delaware State University als Professor im Fachbereich Musik beschäftigt.