World of Motion: Die Freiheit nehmen wir uns!
01.08.23, 11:17 |
In fast jedem mir bekannten Autowerbespot wird Freiheit auf vier Rädern verkauft. So ist es auch: Jederzeit einsteigen, Schlüssel umdrehen (oder mittlerweile nur noch in der Hosentasche stecken lassen, damit die Funkverbindung steht) und dann Abfahrt. So lange es der Tank – egal ob elektrisch oder fossil – uns erlaubt, können wir „einfach mal ins Blaue“ fahren, irgendwohin, manchmal ohne Ziel und Sinn. Daher fasziniert uns Mobilität seit Anbeginn der Zeit. Auch in EPCOT Center war das Thema durch den Pavillon „World of Motion“ sehr prominent und bleibt uns mit Test Track bis heute erhalten. Zeit also, mal tiefer in die Entstehungsgeschichte und Transformation des World of Motion-Pavillons einzusteigen.
Walt Disneys Leidenschaft für Züge als Vorläufer für die World of Motion
Schon Zeit seines Lebens war Walt Disney fasziniert von Zügen. Sein Onkel war ein Mechaniker auf der Santa-Fe-Railroad-Strecke zwischen Marcelline und Fort Madison. Das markierte wohl den Beginn seiner Liebe zum Schienengefährt. Später, mit 15 Jahren, war er während der zweimonatigen Sommerferien Verkäufer mit einem Bauchladen voll Zeitungen, Snacks, Zigaretten und ähnlichem auf mehreren Zugstrecken, die von Kansas City aus starteten und unter anderem bis nach Texas fuhren.
Doch diese Liebe wurde im Verlauf seines Lebens verschüttet. Sie kam erst wieder zum Vorschein, als einer seiner vertrauten Zeichner, Ward Kimball, ihn zu einer Zugausstellung in Chicago mitnahm. Daraufhin wurde Zugmodellbau zu Walts neuem Lieblingshobby, welches in seiner eigenen Gartenbahn „Carolwood Pacific“ gipfelte. Dieses Vorwort wird im späteren Verlauf noch wichtig, vor allem der Name Ward Kimball.
Also merken wir uns: Walt liebte Züge und beschäftigte sich gerne mit Transport-Möglichkeiten. Daher haben wir auch in den diversen Disney Parks Dampfeisenbahnen, Monorails, einen – exakt einen – PeopleMover (im Magic Kingdom, Orlando) und nostalgische Gefährte aus der Jahrhundertwende (Pferdewagen, Busse, Feuerwehrautos, etc.).
Die bewegte Weltausstellung in New York
Wie eigentlich fast alle Ideen, die wir in EPCOT realisiert sahen und sehen, beginnt auch die Geschichte von World of Motion auf der 1964-65er Weltausstellung in New York. Es begab sich zu dieser Zeit, dass Walt Disney und sein Team von WED (die Firma, die er eigens für die Planung und Ausgestaltung von Disneyland gründete und heute als WDI – Walt Disney Imagineering – bekannt ist) mit den Wunderwerken in Disneyland einen solchen Erfolg feierten, dass sie sich vor Anfragen von Firmen, die als Aussteller in New York zugegen sein würden, nicht retten konnten.
Allerdings waren auch damals die personellen Kapazitäten begrenzt und so konnten nur wenige Kunden bedient werden. Darunter waren Ford, für die WED den „Magic Skyway“ erdachten, General Electric, welchen das Carousel of Progess auf den Leib geschneidert wurde, sowie der Staat von Illinois mit Great Moments with Mr. Lincoln und UNICEF/Pepsi mit It’s a Small World. Ich glaube ich muss nicht erwähnen, dass die Pavillons dieser vier Aussteller die absoluten Besuchermagneten waren.
Vor allem Fords Magic Skyway kann als Blaupause für World of Motion gesehen werden. Zunächst sei erwähnt, dass für diese Attraktion die Vorform des uns bekannten Omnimover von Bob Gurr auf Basis des Bremsverstärkungssystems der Matterhorn Bobsleds-Achterbahn erfunden wurde. Dabei waren echte Ford Mustang-Cabrio-Karosserien, die gerade frisch von den Fließbändern kamen, auf ein Laufband montiert und über in das Band integrierte, sich permanent drehende Räder geleitet. Im Inneren des 2,5 Hektar großen Pavillon wartete die eigentliche Attraktion.
Wir fahren Ford
Zunächst ging es in den ersten Stock des Gebäudes. Dabei konnten die Gäste während der Auffahrt einen Panorama-Ausblick auf die Weltausstellung genießen. Danach fuhren sie in die Vergangenheit, weit zurück bis in die Prähistorie. An friedlich grasenden Brontosauriern und Stegosauriern vorbei bis zu einem epischen Kampf zwischen einem T-Rex und einem Triceratops. Kommt Euch bekannt vor? – Das ist gut möglich, weil diese Szenerie nach dem Ende der Weltausstellung nach Disneyland, Anaheim, umzog und nun Teil der Disneyland Railroad-Strecke ist!
Im nächsten Abschnitt wurden steinzeitliche Familienbande und die Erfindung des Rads präsentiert. Dort erhielt dann auch Ford als Autobauer seinen großen Werbeauftritt. Mittels des „Highway in the Sky“ wurden die Gäste zur „Space City“ transportiert, einer futuristischen und mit Ford-Produkten ausgestatteten Stadt, die zeitgleich die Endstation des Rides war und Gäste zur Erkundung der neuesten Projekte der Ford-Werke einlud (wie der Zufall es wollte, erinnerte die Space City optisch an E.P.C.O.T./Progress City). Vieles aus diesem Fahrgeschäft sehen wir später in World of Motion wieder. Denn gute Konzepte und funktionierende Audio-Animatronics “recycelt” Disney gerne!
Fords Pavillon war aufgrund dessen der zweitbeliebteste Pavillon der gesamten Weltausstellung, kurz hinter General Motors „Futurama“. Auf den Plätzen drei bis fünf waren alle anderen von Disney gebauten Attraktionen.
General Motors wird erster EPCOT-Sponsor
Davon extrem beeindruckt, sah General Motors ihre Chance gekommen, als die Disney Company nach Sponsoren für „EPCOT Center“ suchte. Sie gehörten daher zu den ersten, die im Dezember 1977 einen zehnjährigen Vertrag für einen Mobilitätspavillon unterschrieben. Die Gültigkeit des Vertrages begann mit der Eröffnung des Pavillons. GM sah darin vor allem die Gelegenheit, ihre beiden damaligen größten Konkurrenten Ford und Chrysler auszubooten und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Nach mehreren Gesprächen zwischen GM und den Imagineers wurde der Fokus auf ein spaßiges Fahrgeschäft mit vielen optischen Gags gelegt. Dieses Fahrgeschäft sollte zeitgleich durch eine ernsthafte Erzählung und die damit verbundene Paradoxie die eine oder andere Bildungslücke bei Gästen schließen.
Um der Aufgabe gerecht werden zu können, wurden die Disney-Animationslegenden Ward Kimball, der hier seine erste und einzige Erfahrung mit dem Imagineering machen sollte, und Marc Davis, dem wir unter anderem die kultigen Darstellungen bei Pirates of the Carribean und Haunted Mansion zu verdanken haben, zusammengebracht. Kimball fungierte dabei als Art Director und Davis als Maestro der Situationskomik. Diese beiden setzten also gemeinsam die Maßstäbe für die bis heute in sehr guter Erinnerung gebliebenen Szenen, welche den Ride ebenfalls zu einem Publikumsmagneten werden ließen.
World of Motion in Epcot
Der Motiv-Song des Pavillons war „It’s fun to be free“. Er begleitet uns in verschiedenen Genre-Arten von Barock über Dixieland zu Swing und Cool Jazz während des gesamten Rides. Den Song schrieben keine geringeren als der Komponist Norman “Buddy” Baker und der Textspezialist Xavier „X.“ Atencio, die uns schon Klassiker wie „Yo-Ho, A Pirates Life For Me“ und „Grim Grinning Ghost“ bescherten. Er fügt sich melodisch so gut in unterschiedliche Arten von Musik ein wie ein Chamäleon in die „Jungle Cruise“.
Als World of Motion zusammen mit dem ganzen EPCOT Center eröffnet wurde, bildeten sich trotz der hohen Kapazität von mehr als 3.000 Besuchern pro Stunde lange Schlangen vor dem Pavillon. Das exakt kreisförmige, an ein Autorad mit schön glänzendem Raddeckel erinnernde Gebäude war etwa 17 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von ungefähr 98 Meter Durchmesser. Die Ungenauigkeit liegt wie immer an den unterschiedlichen Maßeinheiten Fuß, Zoll und Inch. Die waren dafür immer rund.
Also, warum nutzen wir nicht unseren Special-Disney-History-Fastpass und springen direkt in den mehr als einen halben Kilometer langen Omnimover, der uns in die spannende und lustige Geschichte aller Transport-Möglichkeiten fährt. Falls jemand von Euch lieber guckt als liest, gegen Ende des Artikels ist ein Video-Ridethrough verlinkt!
Ein kleiner Fun Fact: In der gesamten Attraktion waren über 130 Audio-Animatronics verbaut und man genoss in 35 unterschiedlichen Szenen rund 14 Minuten beste Disney-Unterhaltung mit dem typischen Marc Davis- und Ward Kimball-Humor.
Eine außergewöhnliche Ausfahrt beginnt
Wir steigen in unseren sechssitzigen Wagen ein, dessen Türen automatisch schließen, und behalten wie immer Hände, Arme, Füße sowie Beine innerhalb des Gefährts! Dann geht es eine Rampe nach oben, die sich in eine sanfte Kurve legt. Sie befördert uns kurzzeitig nach draußen, wo wir den damals schönsten Ausblick auf Future World genießen können. Kein Wunder, dass viele Besucher die Fotoapparate zückten und abertausende Bilder von dieser Sicht existieren. Dann geht es durch eine strategisch gut platzierte Luftschranke, welche die schwül-warme Luft der Sommer Floridas abwehrt, wieder ins kühle Dunkle, worin unsere Geschichte beginnt.
Von glühenden Füßen und dreieckigen Rädern
Leuchtende, rote Fußspuren an den Wänden künden von der Zeit, in der wir ausschließlich per Pedes unterwegs waren. Der Erzähler, Gary Owens, ein damals recht bekannter Radiomoderator und Synchronsprecher, setzt ein, und berichtet uns von beschwerlichen Fußmärschen, die unsere Vorfahren zu bewältigen hatten. Begleitend dazu sehen wir, wie eine Familie comic-haft gestalteter Cro-Magnon-Menschen durch kräftiges Blasen oder Fächerwedeln versuchen, ihre glühenden Fußsohlen zu kühlen. Währenddessen hört man leises Fauchen und Zischen von Wildtieren, die auf einen Happen Homo Sapiens lauern.
Schnell weiter also zur nächsten Szene. Auf die Wand projiziert sehen wir verschiedene Boot-Arten. Vom Floß über ein Kanu bis zu einer römischen Galeere ist alles dabei. Im Vordergrund sehen wir einen Jungen, der schlafend auf einem kleinen Floß über einen von Krokodilen verseuchten Fluss schippert – nichts ahnend davon, dass Schnappi schon die Zähne bleckt.
Die Fortbewegungsformen entwickeln sich weiter
Bevor wir ihn also wecken und warnen könnten, sind wir schon eine Station weitergefahren. Es geht zu unseren tierischen Freunden, die uns netterweise ihre Rücken zum Reiten anboten, und nun vor einer Mautstelle in einem Stau stehen. Da sehen wir einen Elefanten mit Reiter und Fahrgast, einen kleinen Jungen auf einem Ochsen, einen blasierten Kamel-Besitzer, ein unter der Last zusammengebrochenes Zebra, einen Strauß, der versucht seinem Reiter den Trinkschlauch zu stibitzen, während der Besitzer eines ebenfalls unter Last und Reiter zusammengebrochenen Esels beim Zollbeamten die Maut entrichtet. Auch ein fliegender Teppich mit seinem Meister schwebt gelassen über der Szenerie.
Wir verlassen nun diesen amüsanten Bereich und werden der Erfindung des Rads gewahr. Mehrere ideenreiche Tüftler haben sich aufgereiht, um ihre Varianten zu präsentieren. Darunter sind ein dreieckiges, ein quadratisches und ein fünfeckiges Rad. Doch die strebsamen Innovatoren werden von einer babylonischen Palastwache abgewiesen. Nur der Mann, dessen Rad einen perfekten Kreis beschreibt, wird vor den vergnügt lachenden Herrscher zur Audienz vorgelassen. Dieses Lachen verfolgt uns noch weiter bis zum nächsten Abschnitt.
Gebrauchte Streitwagen günstig abzugeben
Durch einen Bogen mit zahlreich an die Wand projizierten Rädern gelangen wir ins Zeitalter der ersten Wagen. Zunächst sehen wir einen kleinen Zeichentrickfilm, in dem ein Ägypter auf einem Pferde-Streitwagen mit gespanntem Pfeil und Bogen durch die Gegend fährt. Kurz danach erblicken wir den in die Front eines chinesischen Hauses eingebetteten Film einer Rikscha mit Fahrgast und -Schieber. Auf einer römischen Vase läuft eine Animation eines Zentauren, der einen Wagen hinter sich herzieht, um kurz darauf dann ein römisches Mädchen, das ebendiesen Zentauren vor einer römischen Säulenhalle an der Leine führt, zu sehen.
Danach wird uns der erste Gebrauchtwagenmarkt gezeigt, an jedem dort angepriesenen Wagen hängen Schilder mit Preissenkungen. Ein adeliges, römisches Pärchen wird von zwei Verkäufern belagert. Der Mann wird von einem extrem schnell redenden Kaufmann auf die technischen Vorzüge des mit Gold und Geschmeide behängten Wagen hingewiesen. Währenddessen soll die Frau vom anderen Verkäufer von der Schönheit und dem Prestige überzeugt werden. Selbst das trojanische Pferd wird bei den Gebrauchtwagenhändlern zu einem Schnapper-Preis feilgeboten.
Wir stechen in See
Doch bevor wir selbst in Versuchung geraten, einen Kaufvertrag für den extraordinären Streitwagen zu unterschreiben, werden wir zur Eroberung der Weltmeere geschickt. Eine schön eingebettete Leinwand zeigt in Zeichentrick, wie die Windgötter Segelschiffe über den Rand der damals noch flach geglaubten Erde runterpusten.
Direkt nebenan späht eine Seeschlange schelmisch in das Fernrohr Cristóbal Colóns hineinspäht. Diese Seeschlange ist übrigens immer noch zu sehen, nämlich als puppenartige Variante in Disneyland Paris’ Version von It’s a small World, in der die oben genannte Szene rezipiert wird. Übrigens, die Seeschlange hat auch eine spezifische Beschreibung: “Kimballum Horriblus”, in Hommage an Ward Kimball. Die Legostein-Seeschlange in Disney Springs hingegen sieht zwar aus wie Kimballum Horriblus, ihr Name ist jedoch “Brickey”. Allerdings munkelt man, auch diese Seeschlange könnte Teil der Familie Kimballum Horriblus sein.
Wie Mona Lisa das Lächeln verging
Unser World-of-Motion-Wagen führt uns nun weiter in die Renaissance, um genau zu sein, in das Studio von Leonardo da Vinci. Mona Lisa sitzt mittlerweile ziemlich genervt und ungeduldig auf ihrem Stuhl. Das sanfte Lächlen ist einem eher sauertöpfischen Gesichtsausdruck gewichen. Grund ist, dass der Maestro selbst sich im nächsten Raum lieber mit seiner neuen Erfindung einer Flugmaschine vergnügt. In diese hat er einen Ahnen des aus dem “Haunted Mansion” bekannten Friedhofswärter gespannt. Ein weiterer Lehrling versucht die Apparatur mithilfe eines Flaschenzugs in die Höhe zu wuchten und müht sich sichtlich dabei ab.
An Projektionen von Flugschiff-Konzepten werden wir in das barocke London geleitet, in dem der Erfinder des Heißluftballons mit einer Schar von Tieren (ein Schwein, zwei Hühner, eine Ziege) über die Dächer der Stadt fliegt. Währenddessen wohnen ungläubig dreinblickende Frauen aus den Dachfenstern dem Spektakel bei.
Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine dampfbetriebene Kutsche mit einem zornigen Bullen aneinandergeraten. Die drei Chauffeure versuchen mit zweierlei Pfeifen den Ochsen zum Weichen zu bewegen ,während die Fahrgäste (ein Vater mit seinem Sohn) lautstark das Tier zu verscheuchen suchen. Doch der Stier bewegt sich keinen Zentimeter! Auch er raucht vor Wut – in diesem Fall sogar wortwörtlich – und stemmt sich gegen das Ungetüm, welches ihm den Weg versperrt.
Volldampf voraus!
Danach sehen wir wieder auf einer Leinwand eine Variation verschiedener von Kohle und Dampf angetriebener Vehikel, auf denen Menschen nun die Freiheit der automatisierten Fortbewegung genießen.
Natürlich erobert Dampf auch die Schifffahrt und so werden wir über den Atlantik zu einem Mississippi-Raddampfer gebracht. Angedockt wartet das kleine Bootchen auf Beladung. Der Esel wehrt sich standhaft über die Rampe zu müssen, während im Schiff fleißig Kohlen ins Feuer geworfen werden. Ein kleiner Junge sitzt am Steg auf einem Pfeiler und angelt nach einem großen Fisch für das Abendessen. Daneben sitzen zwei Musiker auf ihre, von zwei Eseln gezogenen Wagen und spielen eine Banjo-Variante des Themensongs „It’s Fun To Be Free“. Ihr Hund versucht dabei, einigermaßen gerade mitzujaulen.
Weiter geht es in den Wilden Westen! Die nächste Szene zeigt, wie ein Tross von Siedlern in ihren Kutschen von verärgerten Ureinwohnern (vermutlich zurecht) angegriffen werden. Ein Kampf entsteht, Pfeile haben die Melone eines feinen Herren durchbohrt und der Begleitschutz, bestehend aus Cowboys und einer resoluten Dame, feuern ihre Büchsen ab. Doch die Gefahr ist noch nicht vorüber, denn die nächste Szene zeigt einen Eisenbahn-Überfall. Banditen mit Tüchern vor den Mündern haben einen Zug zum Stehen gebracht und die Reisenden um ihre Wertsachen. Doch der Sheriff ist nah und stellt die Brüder gleich vor Ort!
Jene beiden Szenen sind übrigens der nie errichteten Western River Expedition entliehen. Sie sollte eigentlich statt der Pirates of the Carribean im Frontierland des Magic Kingdoms entstehen. Nicht umsonst ähnelt die zuvor beschriebene Zugüberfall-Sequenz an den großen Piratenüberfall in der Karibik.
Fahrten ins Grüne mit dem Fahrrad
Mit dem guten Wissen, dass die Passagiere der Eisenbahn vom Sheriff gerettet wurden, fahren wir nun raus ins Grüne. Wir beobachten einige Fahrradfahrer und -innen, die sich auf unterschiedlichen Ausführungen des guten, alten Drahtesels fortbewegen. Am Anfang versucht ein Mann mit lautstarker Unterstützung seines Hundes eines jeder Räder zu besteigen, deren Vorderrad exorbitant groß gebaut wurde und der Sitz nur mithilfe einer Leiter – oder wie hier eines Zauns – besteigbar wurde.
Unter ihm ist ein zu enthusiastischer Mann direkt in eine Schlammgrube gefahren. In der Grube nehmen gerade zwei Schweine ihr Schönheitsbad und betrachten den armen Herren mit seinem ruinierten, weißen Anzug neugierig. Sein gelbes Zweirad liegt leicht verbeult auf der Wiese hinter ihm. Eine jugendliche Frau zwischen diesen beiden Herren schaut amüsiert dem Spektakel zu, während sie sehr elegant ein feines Damenrad hält. Sie hatte angehalten, um nicht vor Lachen ebenfalls vom Sattel zu rutschen.
Ganz am Ende des kleinen Wald- und Wiesenwegs, auf dem sich das Schauspiel ereignet, sehen wir einen Artisten, der auf seinem Einrad eine Zirkusnummer vollführt. Ein weiteres Paar beobachtet die Szene. Er, ebenfalls in einem hellen Freizeitanzug, pumpt Luft in einen platten Reifen und sie schaut verzückt dem Einradler bei seinen Übungen zu. Im Hintergrund ist die ganze Zeit eine Leinwand in unserem Blickfeld auf der alle möglichen Fahrrad-Sorten, die es im Laufe der Geschichte gab, eingeblendet.
Die ersten Autos und ihre Tücken
Auf der rechts gegenüberliegenden Seite dann erblicken wir das erste Auto. In einer kleinen Werkstatt bastelt ein Mechaniker an dem Fahrzeug, speziell am Motor, der sich hinten am Auto befindet und deutlich simpler erscheint als die technischen Wunderwerke, die wir heutzutage unter der Motorhaube wiederfinden. Direkt daneben erhaschen wir schon einen Blick auf die berühmteste Szene der gesamten Attraktion.
Auf der linken, dem gegenüberliegenden Seite aber sehen wir jedoch zunächst, wie ein Hufeisenschmied samt vierbeiniger Kundschaft völlig perplex auf den Nachbarn starren, der das Verdeck seines aus heutiger Sicht antiken Cabrios herunterlässt. Das Pferd schnaubt verblüfft und vielleicht sogar etwas ärgerlich, während dem erstaunten Schmied tatsächlich der Hut hochgeht.
Massenkarambolage in der Stadt
Dann aber, liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung, kommen wir zum Kabinettstückchen der beiden hauptverantwortlichen Designer Davis & Kimball: Die erste Massenkarambolage der Mobilitätsgeschichte. Keine Sorge, niemand kam ernsthaft zu Schaden, nur sehr viel Blech wurde verbogen.
Wir nehmen also eine kleine Kurve, vorbei an einer Leinwand, auf der Videoschnipsel von Verkehrssituationen in Städten abspielen. Dann zeigt man uns rechter Hand eine altmodische Trambahn mit Handbremsen. Der Lenker steht auf einer Plattform und zieht an der Warnglocke, damit ihm niemand vor den Karren läuft. Links üben Kinder auf Bobbycar-Vorgängern und Dreirädern das Mithalten im Straßenverkehr und dann beginnt das Großereignis.
Ein Polizist mit Schreibblock versucht, das vor ihm ablaufende Theater in einem Notizblock zu verschriftlichen. Dabei ist folgendes passiert. Auf einer Kreuzung hat das Pferd eines Wochenmarktteilnehmers gescheut und den Wagen zum Umstürzen gebracht. Obst, Gemüse sowie lebende Hühner in ihren Käfigen liegen auf dem Pflaster verteilt.
Vom Krach erschreckt, steckt ein Kanalarbeiter den von Banane, Apfel und einem Salatblatt gezierten Kopf aus dem Gully. Hinter dem gestürzten Wagen regt sich eine üppige Frau mit erhobenem Schirm über den Stau auf, ihr Fahrer hält sich ob des lauten Organs seiner Arbeitgeberin die Ohren zu. Das rote Auto wackelt gefährlich, als die Matrone mit Federhut wild gestikuliert.
Ein weiteres Auto sowie ein Bus links von ihr sind ebenfalls zum Stillstand gezwungen. Der Bus hat zwei Stöcke und die Passagiere oben recken sich risikofreudig über die Brüstung, um noch mehr vom Unfall sehen zu können. Der Bauer versucht beständig sein Pferd zu beruhigen. Wir nähern uns dem Ende dieser Szenerie und sehen noch einen weiteren Kanalarbeiter. Dieser schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Außerdem können wir einen Transporter für Eisblöcke sehen, aus dessen Laderaum freche Buben einen Eisblock mit Pickeln bearbeiten, um kleinere Stückchen klauen zu können.
Bevor diesen Bereich ganz verlassen, erblicken wir zu guter Letzt einen weiteren im-Stau-Steher, der ein Pferd von A nach B zu fahren hat, aber nun nicht weiter kommt. Er reckt den Kopf nach links und rechts, um besser sehen zu können, was sich eigentlich vor ihm ereignet hat, und sorgt mit verzweifeltem „Hurry up!“-Ausrufen nicht gerade für eine Verbesserung der Situation.
Gemütliche Ausflüge mit Fahrzeugen
Hiernach bietet man uns wieder eine freundlichere Szene. Die Sonntags-Spazierfahrt, die ein Pärchen auf eine wundervolle Picknick-Wiese verschlagen hat. Im Hintergrund laufen Trickfilme von Flugzeug- und Zeppelin-Prototypen, sie sitzt auf einer Decke und lauscht ihrem Liebling, der „It’s Fun To Be Free“ auf dem Banjo für sie zupft. Ein schelmisches Eichhörnchen hat sich im Picknick-Korb verlustiert und räumt fleißig die belegten Brote aus.
Rechts davon steht eine Werbetafel für eine Flugshow, die nur 25 Cent Eintritt kostet. Einen Vorgeschmack sehen wir als Trickfilm, der in diese Reklametafel eingebettet wurde. Versteckt dahinter wartete ein Verkehrspolizist auf einem Motorrad auf Raser, die er abfangen und zur Kassen bitten kann.
Wir jedoch begeben uns zur Flugshow. Dabei werden wir Zeuge, wie eine vierköpfige Familie in ihrem Auto den tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten bei der Eroberung des Himmels zuschauen. Ein Pilot stellt sich bereitwillig einer hübschen, jungen Dame als Fotomodell zur Verfügung. Sie lächeln beide vor seinem Flugzeug stehend in die Kamera der Freundin, und geben ein Bild für die Götter ab.
Autos in unserem Alltag
Die nächste Szene ist eine Aneinanderreihung von bedeutenden Momenten des Lebens, die wir mit dem Auto verbinden. Bebildert werden die einzelnen Fahrzeuge mit Leinwänden, auf denen passende Videoausschnitte gezeigt werden. Das erste Fahrzeug ist mit dem Schriftzug „Just Married“ verziert und hat die mittlerweile üblichen leeren Konservendosen am Auspuff befestigt. Dahinter laufen kurze Filme unter der Überschrift „Vanity Flair“.
Als zweites sehen wir ein Cabrio mit einer Gruppe von Studenten, die einen Ausflug gemeinsam machen. Das Auto ist mit sehr flachwitzigen Sprüchen dekoriert, über die wir in der heutigen Zeit vermutlich nur noch mit den Augen rollen würden. Die Videoleinwand steht dementsprechend auch unter der Überschrift „College Humor“. Im dritten Fahrzeug sitzt eine Kindersportmannschaft, vermutlich Baseball, in ihren Uniformen. Ein Junge schwenkt ein kleines Fähnchen, das seinen Verein zum Sieg bringen soll oder bereits gebracht hat. Die Videoleinwand hinter den Fahrzeug trägt den Titel „Colliers“.
Der letzte Wagen zeigt eine typische Familienkutsche auf dem Weg in den Urlaub. Und wohin geht es Nnatürlich nach Walt Disney World! Der Sohn auf der Rückbank trägt bereits seine Mickey-Öhrchen und kann sich vor Vorfreude nicht mehr auf dem Sitz halten. Mutter redet auf Vater ein, gibt Anweisung, wo wann und wie welche Ausfahrt zu nehmen ist.
Die Pointe an diesem Abschnitt der World of Motion ist, dass die gezeigten Videos nichts, aber auch rein gar nichts mit den einzelnen Titeln zu tun haben. Es sind Ausschnitte von Henry-Ford-Interviews oder Albert Einstein zu sehen, ein Donald Cartoon, ein Auftritt von Marylin Monroe vor Kampfpiloten, Autos auf Fließbändern, die Mondlandung, und so weiter und so fort.
Fahrt in die Zukunft
Damit gelangen wir in einen sogenannten „Speedtunnel“. Über uns ist eine Videoleinwand gewölbt und wir sehen Filme voll Geschwindigkeit. Diese Filme zeigen zum Beispiel eine Fahrt auf einer vereisten Bobbahn, einem Flug über einen Canyon oder einer wilden Bootsfahrt über ungestümes Meer. Dann wird auf abstrakte Formen wie vorbei fliegende Punkte, Wirbel von geometrischen Formen, kaleidoskop-artige Figuren und allerlei mehr, für das ich gerade nicht die passenden Worte finde.
Von diesem Tunnel aus werden wir in die Zukunft katapultiert und schauen auf die World-of-Motion-Vorstellung der „City of the Future“. Das Modell von leuchtenden Gebäuden ist gesäumt von bewegten Lichtern, die unterschiedliche Transport-Formen darstellen. Nach einem weiteren Speedtunnel mit laufenden Lichtstrichen fahren wir – wie im Haunted Mansion – an Spiegeln vorbei, die uns per „Pepper’s Ghost“-Effekt vorgaukeln, wir führen in einem hypermodernen, zukünftig realen Vehikel. Anschließend kommt der Ausstieg, der uns in das „Trans-Center“ entlässt. Das Trans-Center ist ein sogenanntes Post-Show-Areal, das uns mit weiteren kleineren Shows zum Verweilen einlädt.
Shows im Post-Show-Areal der Attraktion
Da wäre zum einen eine kurze Videoshow zum Thema Aerodynamik, die wir durch eine als Windturbine gestaltetes Einlasstor betreten. Vor uns ist hinter Plexiglas ein futuristisches, stark nach windschnittigen Empfehlungen geformtes Auto aufgebaut. Flexible Leuchtröhren machen daran den Fluss der Luft sichtbar. Währenddessen erklärt ein Film, wie Aerodynamik funktioniert, welche Schwierigkeiten es damit gibt, und wir wir den Luftwiderstand an Fahrzeugen optimal reduzieren können, um zum Beispiel Benzin zu sparen:
Eine weitere Show ist „Robot & Bird“, eine Animatronic-Vorführung. „Bird“ sieht stark aus wie ein ehemaliger Tiki-Room-Papagei, der den Job gewchselt hat. Mit buschigen Augenbrauen, einer übergroßen Fliege, schlecht sitzendem Anzug und einer dicken Zigarre im Schnabel hat er sich zum Manager von „Robot“ aufgeschwungen und zeigt in einer unterhaltsamen Art, welche Vorteile industrielle Arm-Roboter in der Fertigung von Autos und anderen Maschinen haben:
Eine andere Videoshow mit dem Namen „The Water Enigine“ diskutierr im Cartoon-Stil verschiedene Erfinder*innen, welche Antriebsarten es gibt, und welche angeblich die beste für die Zukunft ist. Unter anderem – schon damals – ein Motor auf Wasserstoff-Basis. Es ist gerade heute, im Jahre 2023, witzig zu erfahren, wie weit die Motoren-Forscher damals schon waren und wie wenig sich zu heute verändert hat. Außer die Geschichte mit elektromagnetischen Straßen. Das wir wahrscheinlich auf lange Sicht keine Option sein:
Neben diesen Shows widmet sich das Trans-Center dem „Concept 2000“, einer Ausstellungsfläche mit Konzeptzeichnungen, Modellen und Karosserien von General-Motors-Prototypen. Natürlich konnten Besucher auch aktuelle Baureihen betrachten und vor Ort kaufen, bzw. eine Probefahrt bei ihrem örtlichen GM-Händler vereinbaren.
Von der World of Motion zu Test Track
Nach den vertraglich vereinbarten 10 Jahren Sponsor-Laufzeit, hatte GM eine neue Idee für den Transport-Pavillon. Sie wollten etwas mit mehr Spannung und Rasanz. Die gemächliche, jedoch sehr vergnügliche World of Motion war einfach nicht mehr schick genug. Was man auch an der Abnahme der Besucherzahl erkannte. Wobei ganz EPCOT in den 1990ern unter einem massiven Besucherschwund litt.
Daher musste ein komplett neues Konzept her, und man landete nach mehreren Brainstorming-Phasen bei einer Teststrecke, auf der neue Autos anhand verschiedener Situationen zur Zulassung hin geprüft wurden. Das Konzept entwickelte Disney schließlich zu Test Track weiter. World of Motion schloss am 02. Januar 1996 endgültig seine Pforten und wurde zu der uns heute bekannten überdimensionierten Carrerabahn umgebaut. General Motors ist auch heute noch Sponsor der Attraktion und präsentiert im Post-Show-Gebäude die neuesten Modelle seiner bekannten Automarken Chevrolet, Buick oder Cadillac.
Seid Ihr jetzt ganz wehmütig, dass die World of Motion heute nicht mehr in Epcot zu finden ist, haben wir zumindest einen kleinen Trost für Euch. Auf dem Youtube-Kanal von Martin Smith gibt es ein „Complete Tribute“-Video, das ab Minute 20:50 all das oben Beschriebene in Bewegtbild zeigt:
Wie lange sich Test Track im Angesicht der großen Umgestaltungspläne für EPCOT halten wird, ist ungewiss. Womöglich erfahren wir auf einer der nächsten D23-Expos mehr dazu. Bis dahin lassen wir uns als lebende Testdummies anschnallen und sausen vergnügt durch die Kurven. Zumindest die wenigen Male am Tag, wenn die Attraktion mal nicht „down“ ist.