Tracy Eck & Laurent Cayuela – Imagineers (Art Director & Show Writer), Teil 3 – Cast Member Interviews
04.05.14, 14:00 |
Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2 dieses Interviews.
Torsten: “Denkt Ihr, dass so ein Klassiker wie It’s a Small World, wenn es heute erfunden werden würde, es wieder schaffen würde, so einen Status als weltweiter Erfolg zu erlangen – oder bedarf es heute mehr Action, mehr Thrills, um so etwas zu erreichen? Oder würde eine ruhige Attraktion wie Small World auch heute weltweit noch funktionieren, wenn sie nicht schon den Nimbus eines Klassikers hätte?”
Tracy: “Ich denke es ist gerade die Einfachheit von Small World, die auch heute noch Besucher direkt eine Verbindung zu solch einer Attraktion aufbauen lassen würde. Dieses kindliche Gefühl, dass einem die Attraktion gibt, macht sie so besonders magisch. Und deshalb bauen wir auch in jedem Resort heute noch It’s a Small World. Die Menschen lieben es sofort.
Gerade diese Einfachheit, die Puppen, die unkomplizierte Welt durch die man reist, dieser schöne, verspielte Ort an dem man ist, an dem alle Kinder der Welt vereint sind, das ist was die Leute auch heute anzieht.
Man braucht nicht viel moderne Technik, um so etwas zu schaffen.
Natürlich betreiben wir bei Disney auch viel Forschung nach neuen Techniken – aber nicht, um der Technik willen, sondern vor allem, um die besten Wege zu finden, die Inhalte, die wir vermitteln wollen zu transportieren.
Man braucht aber nicht immer mehr Action, mehr Projektionen, mehr Effekte um so etwas zu schaffen. Die Geschichte, die wunderbare Botschaft ist das was es ausmacht. Zeitlos.”
Laurent: “Der Kern ist die Geschichte – und es ist eine einfache Geschichte, die keine Action braucht, kein Beep, Bliep und Blap überall. Und das würde auch heute noch funktionieren, weil es so einfach ist. Man ist einfach wieder ein Kind! Und gerade dass daran nichts kompliziertes ist, erzeugt genau das wunderbare Gefühl, das man fühlt, wenn man die Attraktion wieder verlässt.
Eine der Kernfragen, wenn wir etwas entwickeln, ist: ‘Was wäre, wenn?’
Und wenn wir die Frage stellen würden: ‘Was wäre zu tun, wenn wir uns wieder wie ein Kind fühlen wollen?’ dann ist die Antwort nicht, etwas kompliziertes zu tun, sondern etwas einfaches, damit man die Welt durch die Augen eines Kindes sieht wie das bei Small World gelingt.
Es ist natürlich schwer zu sagen, ob das auch wirklich noch funktionieren würde, wenn man es heute neu entwickeln würde, weil wir eben wissen, dass es seit 50 Jahren ein Erfolg ist – das ist eine schwere ‘Was wäre, wenn’-Frage [lacht].”
Attraktionen im Anbetracht unterschiedlicher Kulturen
Torsten: “It’s a Small World ist nicht die einzige Attraktion, die es in mehr als einem Disney Park gibt – und auch die anderen Attraktionen, die es in mehreren Parks gibt sind meist keine 1:1 Kopien. Was müsst Ihr beachten, wenn Ihr eine Attraktion in einen anderen Park transferiert, der in einem Land mit einem anderen kulturellen Hintergrund beheimatet ist?”
Laurent: “In meinem Bereich der Adaption geht es zunächst darum, dass Sprache nur eine untergeordnete Rolle spielen darf. Der visuelle Eindruck ist entscheidend. Deshalb ist Phantom Manor hier die einzige Version, die von außen gruselig aussieht. Wir wollen, dass die Besucher, direkt, wenn sie Frontierland betreten denken, ‘hey, das ist ein Ort zur Zeit des Goldrausches’, wie man ihn sich in der europäischen Tradition vorstellt und dann direkt wenn sie Phantom Manor sehen, ohne dass es viele Worte braucht, denken: ‘Oh, aber da geht was seltsames vor!’.
Das ist so ähnlich bei Pirates of the Carribean. In den anderen Parks ist Pirates of the Carribean in einem ‘netteren’ Gebäude, mit Goldglitter hier und da. Hier ist es anders, weil die Vorstellung von der Welt der Piraten hier eine andere ist. Hier ist es ein graues Gebäude, mit Löchern und Kanonen, damit man gleich denkt: ‘Hey, diese Festung wurde angegriffen.’ Auf diese Weise wird die Geschichte gleich anders erzählt. Vor allem hier dürfen wir die Geschichte nicht mit Worten erzählen, sondern in erster Linie visuell. Das mag sich seltsam anhören, wenn jemand wie ich, der eigentlich mit Worten arbeitet sagt: ‘Arbeite nicht mit Worten, wie bei einem Buch, arbeite visuell’, aber das ist notwendig, gerade wenn ein Wort in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Dinge bedeuten könnte.
Wir können den Leuten nicht mit Worten erzählen, dass bei Pirates etwas unheimliches, etwas ‘sinistres’ passiert ist – in Englisch und Französisch würde das passen, aber in Italienisch z.B. bedeutet ‘sinistra’ zunächst einmal links im parteipolitischen Sinne oder auch allgemein links.
Das ist es was die Adaption in eine andere Kultur so kompliziert macht, es muss hier am Ende so sein, dass es für Besucher aus allen europäischen Sprachen und Kulturen verständlich ist.”
Pirates of the Carribean – hier und dort
Torsten: “Heißt das in gewisser Weise auch, wenn wir Phantom Manor und Pirates of the Carribean als Beispiele nehmen, die in den USA viel glamouröser aussehen, dass Europäer lieber düstere Dingen möchten, um sich in eine solche Geschichte versetzen zu können?”
Laurent: “Nicht unbedingt – aber wir wollten hier auch besonders effektiv in der Darstellung sein. In den USA versteht jeder, dass ‘Haunted Mansion’ eine unheimliche Attraktion verkündet. Aber den Namen alleine sei es ‘Phantom Manor’ oder auch ‘Haunted Mansion’ würde vielleicht nicht jeder Europäer direkt verstehen, wegen der vielen Sprachen. Wir wollten aber, dass die Leute wissen, welche Art von Attraktion sie erwartet, ohne dass sie erst einmal den ganzen Weg dort hin laufen müssen, um zu sehen, ob es sie interessiert oder nicht.
Sie sollen das direkt von der Präsentation her sehen. Das ist mein Weg, etwas zu vermitteln.”
Tracy: “Bei der Adaption in Europa spielen auch noch andere Dinge eine Rolle. Bei Pirates of the Carribean ist zum Beispiel der Wartebereich viel länger und detaillierter ausgearbeitet. Das hat zum einen den Grund, dass wir Pirates of the Carribean hier besonders spektakulär inszenieren wollten, aber auch, dass die Gäste, weil es oft regnet, weniger Zeit im Freien verbringen müssen und mehr beim Anstehen an den Attraktionen. Und damit wollten wir dafür sorgen, den Gästen schon in den Warteschlangen ein besonderes Erlebnis zu bieten. “
Laurent: “Das ist ja auch bei den Arkaden der Fall, die es nur in Paris gibt und die ursprünglich gebaut wurden um mit dem Klima, dem häufigeren Regen besser umgehen zu können. Aber am Ende haben sie sich zu etwas entwickelt, was darüber hinausgeht, zu einem großartigen Konzept, mit so großartigen Details, die ganze Main Street hat mehr Details, als jede andere. So wird sie zu einem ganz eigenen Erlebnis. Dadurch haben wir natürlich auch noch den Nebeneffekt erreicht, dass die Besucher, wenn gerade die Parade stattfindet und sie die vielleicht am Tag zuvor schon gesehen haben, über die Main Street dennoch andere Bereiche erreichen können, zu denen sie wollen.
Etwas, das also zunächst dafür gedacht war, dabei zu helfen, eine lokale Beeinträchtigung zu umgehen, wurde in etwas großartiges umgewandelt.”
Von der Zusammenarbeit im Imagineering
Torsten: “Disneyland Paris ist kein isolierter Ort, sondern Teil des Gesamtwerks der Disney Parks weltweit und somit kann auch der Bereich des Imagineerings für das Disneyland Paris nicht isoliert von Walt Disney Imagineering arbeiten.
Könnt Ihr uns etwas darüber erzählen, wie das in der alltäglichen Zusammenarbeit funktioniert, wenn ein ganzer Ozean dazwischen liegt?”
Tracy: “Es gibt sehr sehr viel Zusammenarbeit und gegenseitige Abhängigkeiten von einander, um die Projekte voranzubringen. Das ist heute natürlich, mit all den modernen Kommunikationsformen viel einfacher als noch vor 20 Jahren. Es gibt Videokonferenzen, oder jetzt ganz neu, auf unserem Konferenztisch ist zu sehen, was die Partner in den USA gerade auf den Tisch gelegt haben, Vorlagen etc. und umgekehrt. Da fühlt man sich heute bei Besprechungen eigentlich fast als wäre man im selben Raum. Heute zu kommunizieren ist also viel viel leichter als es früher war, was sehr wichtig ist. Denn der Informationsaustausch ist sehr sehr wichtig für uns, weil jeder Erfahrungen hat, die den anderen dann weiterhelfen. Wir können gemeinsam an Problemen arbeiten. Oder unsere Partner in den anderen Parks können vor denselben Problemen stehen, die wir schon gelöst haben. Und dann kann jemand direkt sagen, ‘ah ja, genau das Problem hatten wir im letzten Jahr und haben es auf diese Weise gelöst’.
Auch bei ganzen praktischen Dingen, die man sehr schnell klären kann, z.B. so etwas, wie man den Evakuierungsprozess einer Attraktion optimiert und dabei von den Erfahrungen der anderen Parks profitiert, ist heute alles viel einfacher.
Aber wir tauschen natürlich auch bei echten Treffen Ideen aus. Ich war z.B. gerade in Glendale auf einer Konferenz, bei der Imagineers aus allen Resorts anwesend waren, bei der es um die neueste Technik bei Figuren, Animatronics, um neue Arten von Hautbeschichtung der Figuren und neue Materialien für die Kostüme und so weiter ging. Und das fand ich wirklich spannend, weil jeder aus aller Welt eigene Erfahrungen beitragen konnte. Ich denke, dieser internationale Aspekt und der daraus resultierende Austausch ist wirklich eine der Stärken unseres Unternehmens.
Es ist aber in Bezug auf unsere internationalen Mitarbeiter auch immer wieder interessant und spannend, Dinge des menschlichen Alltags zu vergleichen: was ist gleich, ähnlich oder ganz verschieden? Der Humor ist da immer ein besonders interessantes Feld. Mit dem Humor muss man besonders vorsichtig sein in den unterschiedlichen Kulturen. Das ist auch etwas, was Small World zu so etwas Besonderem macht. Es ist weitestgehend dieselbe Attraktion überall, mit demselben Humor und es funktioniert überall.
Haunted Mansion konnten wir in Hong Kong nicht machen. Mystic Manor dort hat eine komplett andere Geschichte. Haunted Mansion oder Phantom Manor in Hong Kong zu realisieren wäre absolut keine gute Idee gewesen. [Anmerkung der Redaktion: Umgang mit den Themen Tod & Trauer weicht in der chinesischen Kultur von der westlichen Sicht ab.]
Auch wenn es um Dinge wie die Gestaltung geht, haben wir in Glendale eine großartige Leitung. Es geht heute so problemlos, dass sie uns Ideen und Sachen schicken und wir ihnen. Oder wir besprechen Probleme direkt gemeinsam mit Tim Fitzgerald, der einen globaleren Blick auf die Entwicklungen hat, als wir ihn haben.
Der Workflow ist aber nicht immer derselbe. Manchmal schicken wir Sachen dorthin oder sie schicken uns etwas, um sie zu begutachten. Manchmal müssen wir aber auch selbst nach Glendale reisen, um Dinge vor Ort zu besprechen oder auch längerfristig vor Ort arbeiten. Gerade wenn es darum geht, eine neue Attraktion zu bauen. Die gestalten wir dann in Glendale und kehren dann erst für den Bau hierher zurück.
Insgesamt findet ein reger Austausch statt.”
Laurent: “Ja, auch wenn wir hier in Paris vor allem für Disneyland Paris arbeiten, so ist Walt Disney Imagineering eigentlich EIN großes Team rund um die Welt. Und einige Dinge, die wir hier umgesetzt haben, wurden von Leuten aus unserem Team gemacht, die in Tokio arbeiten. Aber auch wir haben Dinge entwickelt, die in anderen Resorts umgesetzt wurden. Oder zwei Leute, die Grafiken für Disneyland Paris machen, Stephanie und Olivier, arbeiten aktuell von Hong Kong bzw. Florida aus. Wir sind im Prinzip ein großes Team, eine große Familie”
Tracy: “Ich bin ein paar Mal zwischen Paris und Glendale hin und hergezogen, und habe auch für längere Zeit dort gearbeitet.”
Laurent: “[lacht] Ja, das war großartig am Anfang. Als ich hier bei Imagineering angefangen habe, hat jeder über Tracy geredet. Tracy hat dies gesagt und Tracy hat das gesagt, und ich musste erst einmal fragen: ‘Wer ist Tracy? Ist sie Teil dieses Teams? Ich kenne diese Frau nicht.’ [lacht] Ich dachte erst, es gäbe sie gar nicht und sie wäre imaginär, weil ich sie noch nie gesehen hatte, und dachte, diese Imagineers sind immer zu einem Scherz aufgelegt, bis sie einmal hier war und sie mir als ‘Das ist Tracy’ vorgestellt wurde [lacht]. Und dann wusste ich, sie existiert wirklich [lacht].
Und auf mich bezogen, da ich französischsprachig bin und ich ein französischsprachiger Show-Autor bin, werde ich immer mal wieder zu Dingen für den französischen Pavillon in Epcot herangezogen wenn es um Grafiken oder Texte geht.
Alles in allem sind wir zwar hier ansässig und arbeiten hauptsächlich für unser Projekt hier, aber Walt Disney Imagineering ist in der ganzen Welt verteilt und wir werden auch zu Projekten überall herangezogen.”
Tracy: “Indeed – it’s a small world, after all. [lacht]”
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Tracy Eck und Laurent Cayuela für Ihre Bereitschaft, uns dieses ausführliche Interview zu geben. Unserer besonderer Dank gilt auch, einmal mehr, Mathias Dugoujon, der nicht nur das Interview, sondern auch die großartige Podiumsdiskussion zu It’s a Small World organisiert hat!