Tracy Eck & Laurent Cayuela – Imagineers (Art Director & Show Writer), Teil 2 – Cast Member Interviews
27.04.14, 14:00 |
Heute setzen wir uns Interview mit Tracy Eck und Laurent Cavuela fort. Den ersten Teil findet Ihr hier.
Torsten: “Als das Disneyland Paris entworfen wurde, gab es in paar besondere Herausforderungen, die die Imagineers lösen mussten. Eine davon war, Farben für die Gebäude zu wählen, die auch noch bei einem grauen Himmel gut wirkten.
Galt das was für Farben galt auch bei der Wahl der richtigen Beleuchtung?”
Tracy: “Die Wetterbedingungen hier sind natürlich sehr unterschiedlich im Vergleich zu den anderen Parks. Deshalb mussten wir vor allem auf besonders widerstandsfähiges Material achten. Und wir mussten auch darauf achten, mehr technische Mittel einzusetzen, die europäischen Standards, die sich von denen der USA deutlich unterscheiden, entsprachen. Wir mussten also nach vielen Dingen ganz neu suchen. Wir mussten also quasi auch unsere kompletten Dokumentationen, wie wir normal mit welchem Gerät umgehen, den neuen europäischen Geräten anpassen und vieles neu erarbeiten.
Und alles musste vor allem auch sehr wetterbeständig sein. Es geht ja nicht nur um Regen. Alles musste auch gegenüber UV-Licht, starken Temperaturschwankungen, Kälte und Hitze, Schnee und so weiter passen. Das war schon sehr komplex. Aber desto aufmerksamer wir direkt am Anfang arbeiten, desto zukunftstauglicher ist das dann.
Das war eigentliche die größere und schwierigere Aufgabe als die Art der Ausleuchtung.
Natürlich mussten wir auch darauf achten, mit dem sich oft verändernden Himmel zu arbeiten, aber das ist weniger eine Frage der Ausstattung an sich, als der Einrichtung der Lichtsteuerung im Kontrollzentrum.
Die Anforderungen an die Beleuchtung, ob hier oder in Kalifornien, sind eigentlich die selben.
Es muss immer eine besondere Wirkung entfalten.”
Laurent: “Wenn ich hierzu kurz anmerken darf: Hier in Paris ist die szenische Ausleuchtung eine besondere Herausforderung, aber vor allem auch, dass hier so viele verschiedene Kulturen zu Gast sind. Das ist erstaunlich unterschiedlich wie Beleuchtung und die Geschichte, die dadurch erzählt wird wahrgenommen wird, weil wir unterschiedliche Beleuchtungsarten in unseren Heimatländern finden. Schon zwischen Frankreich und Deutschland gibt es da Unterschiede.
Licht oder auch das gezielte Fehlen von Licht trägt in besonderem Maße dazu bei wie eine Geschichte erzählt und wahrgenommen wird. Das was man sieht – oder auch nicht – trägt ganz stark dazu bei was man empfindet. Die Beleuchtung ist essentiell, um eine Geschichte zu erzählen.”
Tracy: “Das unterscheidet uns hier auch von den anderen Parks. In den anderen Parks wird die Aufmerksamkeit viel mehr mittels Sprache dahin gelenkt, wo die Geschichte hinführt. Hier machen wir das viel mehr mit Licht. Da wir nicht sicher sein können, ob alle Gäste allein mit sprachlicher Führung verstehen würden, worauf man die Aufmerksamkeit lenken möchte, machen wir das hier im Disneyland Paris in besonderem Maße mit Licht – Beleuchtung ist ein gutes Mittel um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente zu lenken und um bestimmte Aspekte einer Geschichte deutlich zu machen.”
Laurent: “Ein Licht kann dir auch zeigen, wo Du hingehen sollst, welchen Weg. Das alles in verschiedenen Sprachen zu machen, würde nicht funktionieren. Licht ist sehr effizient, was die Steuerung der Besucherwege angeht.”
Lauren Cayuela: Experte für die Walt Disney Studios
Torsten: “Laurent, wenn man jemanden nach einem Experten für die Walt Disney Studios fragt, dann hört man oft Deinen Namen. Kannst Du uns einen kurzen Überblick über Deine Arbeit für die Walt Disney Studios geben?”
Laurent: “Oh, Dankeschön [lacht]. Ich habe gerade bei Imagineering angefangen als es um den Bau der Walt Disney Studios ging. Mein Arbeitsfeld ist es vor allem, eine Geschichte ins französische bzw. europäische Umfeld zu transportieren. Wir übersetzen das natürlich nicht wie einen Text sozusagen Wort für Wort, wir erschaffen eine Geschichte.
Meine erste Aufgabe war es, erst einmal zu verstehen, was ein Hollywood Studio ist und wie man das europäischen Besuchern vermittelt und in ihre Vorstellungswelt transportiert. Das ist einer der Gründe warum es hier viele Unterschiede zu den USA gibt. Ganz einfach, weil wir hier alles deutlicher darstellen mussten, warum wir was wie taten.
Meine Aufgabe war es, das zu erreichen. Manchmal funktioniert das, manchmal natürlich auch nicht.
Ich bin ja selbst Franzose und das macht es für mich komplizierter, zu verstehen, wie ich einem Spanier oder einem Deutschen vermitteln kann, was ein Film Studio ausmacht. In Deutschland gibt es ja selbst mehrere große Filmstudios, mit den Bavaria Filmstudios eines der größten überhaupt. Dadurch, dass sie diese Art des Studios kennen, haben die Deutschen schon wieder eine ganze andere Vorstellung von einem Studio als die Spanier und die Franzosen. Schon hier gibt es deutliche kulturelle Unterschiede.
Den Weg den wir gewählt haben, war es, die Studios eindringlicher vielleicht auch überzeichnet zu gestalten in den einzelnen Bereichen, um die Geschichte und Atmosphäre zu vermitteln. Mit mehr Licht und mehr Farbe als es in einem echten Studio gäbe. Deshalb arbeite ich, was die Gesamtheit der Darstellung angeht, auch immer eng mit den Imagineer-Teams zusammen, die die einzelnen Komponenten gestalten, um einen Eindruck zu bekommen, in welche Richtung sie gehen möchten.
Das ist es, was ein Show Writer macht, eine Idee kennenlernen, für das Umfeld adaptieren und sie themenbezogen einbinden.”
Vom klassischen Drama zum Story-Telling bei Disney
Torsten: “Du hast ursprünglich Literatur studiert”
Laurent: “Ja, vor allem Englische. [lacht] Ich wollte eigentlich Englisch-Lehrer werden. Naja, irgendwie unterrichte ich ja auch, über Thematisierung und Geschichten – und das kann ich auch auf Englisch. Also mache ich das ja fast auch noch. Aber ich würde mich nicht mehr trauen, zu unterrichten, wie man Englisch sprechen soll.”
Torsten: “Ich gehe mal davon aus, dass Du, als Du Literatur studiert hast, Dich auch mit klassischen Dramas befasst hast. Da könnte man meinen, dass es da auch Parallelen zu Deiner Arbeit als Show Writer gibt. Du musst ein Skript schreiben, eine Geschichte entwickeln.”
Laurent: “Ja, das ist natürlich so. Das ist vor allem deshalb so, weil wir arbeiten, als würden wir einen Film machen. Jede Attraktion ist eigentlich wie ein Film. Wenn wir an einer Attraktion arbeiten, sind die einzelnen Teile für uns wie die einzelnen Szenen eines Films.
Schon die Fassade ist eigentlich die einleitende Szene – daran sollen die Besucher erkennen: WO ist das? WANN ist das? WARUM ist es hier?
Und das setzten wir dann fort mit jedem einzelnen Element, wie eine Szene.
Wir erarbeiten also zunächst ein Skript. Wir schreiben sogar Dialoge, die in die Geschichte passen würden, als würden wir wirklich einen Film machen.
Vieles von dem findet sich natürlich am Ende gar nicht in der Attraktion wieder, aber es hilft uns, uns selbst vorzustellen, warum wir etwas machen und wohin wir mit der Geschichte, mit der Attraktion wollen. Es funktioniert wirklich als würden wir einen Film machen.
Viele der Arbeitsbereiche aus einem Film finden sich auch bei uns wieder. Erzähler, Drehbuchautoren, Bühnenbildner – alle beeinflussen die Attraktion.”
Torsten: “Ihr arbeitet dann wie bei einem Drama auch mit einer klassischen Spannungskurve?”
Laurent: “Ja, das tun wir. Am Anfang muss man den Gast neugierig machen für eine Attraktion, am besten schon so faszinieren, dass er wissen will was in der Folge passiert. Die Leute müssen in die Geschichte hineingezogen werden. Wenn es z.B. dunkel wird, dann müssen sie gespannt sein, was jetzt passiert. Warum ist es dunkel? Was erwartet mich? Jede Attraktion muss aufgebaut sein wie ein Drama, wie eine Achterbahn der Gefühle. Nach dem Höhepunkt muss die Geschichte auch so weitergehen, dass der Besucher die Spannung wieder abbauen kann.
Da spielt auch wieder die Beleuchtung eine wichtige Rolle – manchmal wird es dunkel und die Leute denken an Sachen, die wir gar nicht vermitteln wollten, manchmal wird es einfach nur dunkel, um die Augen an etwas zu gewöhnen. Dann haben die Besucher manchmal eine größere Vorstellungsgabe als wir und dann müssen wir sie mit geeignetem Licht wieder da hin zurückholen wo wir sie eigentlich haben möchten, um unsere Geschichte erzählen zu können.”
Der Kern des Imagineering: Geschichten erzählen
Torsten: “In Disney Parks geht es und ging es von Anfang an immer um gute Geschichten. Es war eine von Walts wichtigsten Intentionen, Geschichten zu erzählen, auch Geschichten aus denen die Gäste etwas lernen können. Und so gibt es schon seit vielen Jahrzehnten großartig erzählte Geschichten in den Disney Parks. Lässt man sich da, wenn es um eine neue Attraktion geht, auch von den klassischen Geschichten inspirieren, zum Beispiel, um den Kreis wieder zu Small World zu schließen, von einer Attraktion wie dieser?”
Laurent: “Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Wir können natürlich nicht einfach eine Attraktion bauen, die Small World kopiert und hoffen, dass sie denselben Erfolg hat und den Gästen dabei erzählen, dass wir etwas Neues geschaffen hätten. Es ist eine sehr große Herausforderung entweder neue Ideen für neue Geschichten zu finden oder klassische Geschichten, die die Besucher kennen, so zu erzählen, dass wir ihnen eine neue Wendung geben. Dafür muss man sehr kreativ sein – aber wir haben das Glück, dass wir um uns herum ein sehr kreatives Team haben.
Dabei hilft es uns, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, Wir ziehen nicht nur Inspiration aus klassischen Attraktionen, oft gehen wir auch in Museen oder Ausstellungen, einfach in die Welt außerhalb von Disney, um aufgeschlossen zu bleiben und immer wieder Ideen zu finden, eine Geschichte auf eine neue Art zu erzählen oder auch zu sehen, wie eine Attraktionen gestaltet werden kann, damit sie in den Kontext ihrer Geschichte passt.
Oder wenn es um eine neue Attraktion zu einem Disney-Film geht, dann müssen wir uns zunächst fragen, welche Szene oder welche Szenen besonders geeignet wären, um als Vorlage für die Attraktion zu dienen. Und dann müssen wir darauf achten, dass wir einen neuen Weg finden, diese Szene zu erzählen, damit es spannend bleibt. Oder ob wir einen Teil der Geschichte herausgreifen und ihr eine Wendung geben können, bei der die Leute, wenn sie hierher kommen, dann sagen können ‘das habe ich nicht erwartet’, auch wenn sie die Vorlage kennen.
Wir versuchen zwar immer so nah wie möglich an der Vorlage zu bleiben, damit die Gäste, die Charaktere und die Atmosphäre, die sie kennen, wiederfinden. Viele Leute kennen die ganzen Dialoge der Charaktere ganz genau. Wenn wir das also zu sehr ändern würden, würden die Gäste es sofort merken
Hier ist sogar It’s a Small World ein gutes Beispiel, was zum Beispiel die Kostüme angeht. Gerade Kinder sind da sehr direkt und sagen nach der Fahrt schon mal ganz deutlich: ‘Das war aber nicht die richtige Farbe am Kostüm’ oder etwas ähnliches.”
Nächsten Sonntag findet Ihr in unserem Blog den dritten und abschließenden Teil des Interviews.