Thunder Mesa und die Western River Expedition | Neue Serie: Disneys verschollene Attraktionen
07.10.18, 17:34 |
Das ist nun mein erster Beitrag im Blog des Main-Street-Emporium-Forums [Anmerkung: dieser Artikel ist zuerst im MSE erschienen. Nach der Zusammenlegung unserer beiden Blogs erscheint die Serie zukünftig bei dein-dlrp.de].
Kurz zu mir: Ich bin im Jahr 2015 zum Main Street Emporium gestoßen, um mich auf meinen ersten Besuch in Walt Disney World vorzubereiten. Schnell bin ich mit der Gemeinschaft, oder auch von mir liebevoll Nachbarschaft genannt, warm geworden und habe im Zuge dessen auch eine Leidenschaft für die Disney-Historie entwickelt, besonders für die Entstehungsgeschichte der Themenparks und der Firma dahinter: WED Enterprises, bzw. später Walt Disney Imagineering.
Im Speziellen interessieren mich seit dem die Geschichten rund um bereits verlassene oder nie gebaute Attraktionen und Themenbereiche. Hiermit will ich also meinen Einstand bei der Blog füllenden Zunft geben.
The Walt Disney World That Never Was – eine wichtige Quelle für diese Serie
Auch gleich vorneweg: Meine Quellenangaben werde ich Euch am Fuße des Artikels angeben, doch eine Quelle, auf die ich mich öfter beziehe, will ich jetzt schon nennen, denn sie ist immens wichtig für diese Serie. Es handelt sich hierbei um das Buch “The Walt Disney World That Never Was” von Christopher E. Smith. Dieses Buch empfehle ich allen angehenden Disney-Historikern wärmstens.
Artikel aus der Serie “Disneys verschollene Attraktionen”
Thunder Mesa und seine Ursprünge in Walt Disney World
Jetzt aber endlich los: Der Name “Thunder Mesa” dürfte europäischen Disney-Fans bereits geläufig sein, ist es doch der eigentliche Name des Frontierland im Pariser Disneyland, also warum sollte es sich hierbei um einen ‘verschollenen’ Themenbereich handeln? Ganz einfach: Bevor überhaupt ein Disneyland in Paris angedacht war, sollte Thunder Mesa in einer ganz anderen Form in Walt Disney World (Orlando, Florida) entstehen .
Die Motivation dahinter war, dass die Imagineers glaubten, in Florida müsse man den Wild-West-Bereich größer und beeindruckender machen, da das karibische Ambiente eines Adventureland in Florida sowieso fast vor der Haustür zu haben ist, und man sich für die ‘Exotik’ des Wilden Westens als Ansässiger eher begeistern könne. Wie wir später erfahren, war dem nicht der Fall, doch Annahme und Realität klaffen oftmals weit auseinander.
Marc Davies entwickelt Thunder Mesa für Walt Disney World
Marc Davis, einer der bekanntesten Disney-Animationskünstler und Imagineer (er gehörte zu den berühmten “Nine Old Men” und verantwortete u.a. den beliebtesten Ride der Disney Parks, Pirates of the Caribbean und viele andere auch) wurde in den 1960ern damit betraut, Thunder Mesa für Wald Disney World zu gestalten (wobei es zu dem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich noch keinen griffigen Namen hatte). Er begann also sich alte Konzepte, die er für Disneyland einst einreichte, und die auch nicht gebaut worden sind, wieder anzuschauen und basierend darauf den Bereich um Thunder Mesa zu kreieren.
Der Komplex an sich sollte demnach ‘inhäusig’ gestaltet sein und gleich zwei E-Ticket-Rides (E-Ticket ist ein Begriff im Disney-Jargon für sehr beliebte oder spektakuläre Fahrgeschäfte) beinhalten: Den Big Thunder Mountain (welcher erst später so genannt wurde) und die Western River Expedition. Desweiteren hätte eine Wildwasserbahn und eine Art Wanderweg den Themenbereich komplettiert.
Die Gestaltung von Thunder Mesa
Das Thunder-Mesa-Gebäude selbst sollte optisch an das Monument Valley (Grenzregion zwischen Utah und Arizona) angelehnt werden und so dem Besucher als imposanter Blickfang dienen, und die Neugier auf die noch verborgenen Attraktionen steigern.
Die Western River Expedition
Die Western River Expedition wurde als Gegenstück zu den Pirates of the Caribbean gesehen. Sie sollte über den gleichen Witz und Esprit verfügen und die Klischees des Wilden Westen parodieren:
- Die Gäste werden also durch eine typische westernhafte Landschaft geschippert,
- haben eine Begegnung mit grimmigen Banditen,
- erleben hautnah einen typischen Banküberfall,
- fahren dann an einem Saloon mit fröhlichen Animierdamen vorbei
- und machen zum Schluss Bekanntschaft mit dem obligatorischen Indianer-Dorf;
dabei sollte sie noch mehr Musical-Nummern enthalten als Pirates. Mit der Magic Kingdom Railraod hätte man auch einen kleinen Teil der Westen River Expedition sehen können, da diese durch einen Teil des Show-Gebäudes führen sollte.
Video zur Western River Expedition
Hier ein kleines Video von der D23’s Destination D Veranstaltung aus dem Jahr 2011
Big Thunder Mountain
Neben den Wasserfahrten wurde auch eine Achterbahn geplant, die gleichzeitig außerhalb des Thunder-Mesa-Gebäudes wie auch innerhalb davon eine Fahrt mit einem führerlosen Minen-Zug simulierte. Zu dem Zeitpunkt, als Marc Davis daran arbeitet, war der Name Big Thunder Mountain zwar noch nicht geboren, doch wie wir wissen, ist er das Resultat von Davis’ Vorarbeit.
Bildergalerie zur Geschichte des Thunder Mesa Konzeptes
Das Fehlen von Pirates of the Caribbean im Magic Kingdom als Verhängnis für Thunder Mesa
Thunder Mesa war nicht nur eine massive Erweiterung des Frontierlands für Walt Disney World, sondern würde auch zum Eröffnungstag des selbigen fertig gestellt sein. Doch Kostendruck und die Überlegung, dass man nicht all das gute Pulver bereits zu Beginn des Magic Kingdom in Florida abschießen sollte, verzögerte das Projekt nach hinten. Zudem waren die Gäste am Eröffnungstag von Walt Disney World sehr enttäuscht über die Tatsache, dass es dort keine Piraten gab und sie brachten ihren Unmut gepaart mit der Frage, wann denn endlich die Piraten in Florida einziehen werden, zum Ausdruck. Das überraschte die Imagineers so sehr, dass sie Thunder Mesa noch mal um ein paar Jahre verschoben und schnellstmöglich eine Pirates-of-the-Caribbean-Variante für Orlando aus dem Boden stampften.
Der junge Tony Baxter entwickelt Thunder Mesa weiter und verdrängt Marc Davis
Mittlerweile wurde auch Marc Davis von dem Thunder-Mesa-Projek abgezogen und der uns wohlbekannte Tony Baxter, der zu der Zeit noch ein ganz junger, vielversprechender Imagineer bei WED Enterprises war, machte sich daran, das Projekt von Marc Davis zu verfeinern und auszufeilen – in seiner Freizeit, wohlgemerkt, denn eigentlich hatte er andere Arbeit zu tun (die ihn allerdings nicht so erfüllte, weshalb er sich die Konzepte von Marc Davis schnappte, um diese weiterzuentwickeln). Als er damit bei den Bossen von WED Enterprises aufschlug und er einen Pitch gewann, brachte ihm das neben der neuen, verantwortungsvollen Aufgabe auch den Zorn von Marc Davis ein, der gar nicht erfreut über diesen “Emporkömmling” war, der sich mit seinen Federn schmückte.
Doch es half nichts, Tony hatte sein erstes Ziel erreicht. Er taufte die Achterbahn mit dem führerlosen Minenzug auf Big Thunder Mountain und arbeitete zusammen mit Claude Coats daran, sie Realität werden zu lassen. Auch die Western River Expedition verlor er nicht aus dem Blick, sie sollte hinter Big Thunder Mountain in einem eigenen, kleineren Gebäude untergebracht werden – im Gegensatz zu den Plänen von Marc Davis, der, wie ich oben schon schrieb, auf eine sehr imposante Erscheinung baute, die viel mehr gekostet hätte, als das, was Baxter vorhatte.
1974: Der Todesstoß für die Western River Expedition
Das Motiv blieb weiterhin das Monument Valley und so entstand Big Thunder Mountain, der 1980 eröffnete. Die Western River Expedition hingegen wurde 1974 von der Liste der geplanten Attraktionen komplett gestrichen, da das Management der Disney-Parks-Abteilung sich nun vollends auf EPCOT konzentrieren wollte und alle Budgets dort bündelte. Das war dann der Todesstoß für den Rest von Thunder Mesa, welcher vom damaligen Standpunkt aus nie realisiert werden sollte.
Die Wiedergeburt von Thunder Mesa im Disneyland Paris
Aber wie der Titel einen James-Bond-Filmes schon so schön formuliert: “Sag’ niemals nie” – denn Thunder Mesa erlebte eine Wiedergeburt, die auch vornehmlich mit Tony Baxter zusammenhing. Er hatte es nämlich mittlerweile geschafft, den Posten an der Planungsspitze für Euro Disneyland (aka Disneyland Paris) zu ergattern; und er wollte hier Ideen verwirklichen, die man bereits unter Ablage P wähnte. Deshalb verbinden wir den Begriff Thunder Mesa auch sofort mit unserem “Heimat-Resort”, denn Baxter konnte dank seiner neuen Position das europäische Fontierland nach Thunder Mesa benennen und mit einer entsprechenden Hintergrundgeschichte versehen.
Bis zum nächsten Mal bei “Disney’s verschollene Attraktionen”
Lesetipps zum Thema
Buch: Christopher E. Smith – The Walt Disney World That Never WasArtikel bei “Diz Avenue”: Disney That Never Was: Thunder Mesa and the Western River Expedition
Video von “Yesterworld Entertainment”: Yesterworld: Disney’s Thunder Mesa & The Western River Expedition – Yesterworld Unbuilt
Video von “Rob Plays”: Western River Expedition: The Greatest Attraction that Never Happened