Reedy Creek Improvement District überträgt weitgehende Verwaltungsreche an die Walt Disney Company
19.04.23, 09:50 |
Nach einer gestrigen Tagung des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District, das den Reedy Creek District ersetzen wird, traten dessen Mitglieder mit konsternierten Mienen und Aussagen vor die Presse und die Öffentlichkeit.
Behält Disney die quasi regierungsähnliche Kontrolle über sein Land?
Die Mitglieder des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District mussten feststellen, dass ihnen in vielen Angelegenheiten der Verwaltung ihres neuen Districts (ein District ähnelt einem Landkreis) die Hände gebunden sind, da der Vorstand des alten Reedy Creek Improvement District kurz vor der Unterzeichnung des Gesetzes zu dessen Auflösung der Walt Disney Company weitgehende Rechte zur Eigenverwaltung übertragen hatte.
Wenig Eingriffsmöglichkeiten für Vorstand des Central Florida Tourism Oversight District
Ron Peri, Mitglied des neuen Vorstandes, äußerte, dass die fünfköpfige Gruppe, die von Gouverneur Ron DeSantis ernannt wurde, um die Kontrolle über Disneys “Königreich” zu übernehmen, nur sehr wenig Macht habe, auch wirklich zu regieren.
Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie groß meine Enttäuschung über Disney ist. Ich hatte mir so viel mehr von Disney versprochen. Damit wird Disney im Grunde genommen zur Regierung. Diese Behörde [die Verwaltung des Central Florida Tourism Oversight District] verliert praktisch die meisten ihrer Möglichkeiten, etwas anderes zu tun als die Straßen und die grundlegende Infrastruktur instand zu halten.
Ron Peri, Mitglied des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District
Ich kann mir keinen unverschämteren Versuch vorstellen, den Willen der Wähler, den Willen der Legislative und den Willen des Gouverneurs zu umgehen.
Brian August, Mitglied des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District
Der Vorstand des Central Florida Tourism Oversight District plant nun rechtliche Schritte gegen Disney, die sich bis vor den Supreme Court ziehen und somit viele Jahre in Anspruch nehmen könnten – mit unklaren Aussichten, da der alte District einen korrekten und rechtsverbindlichen Vetrag mit der Walt Disney Company geschlossen hat. Bis zur Klärung durch ein Gericht dürfte es viel Zeit für Disney geben, seine Kontrolle über den District fortzusetzen.
Auch das Büro von Gouverneur DeSantis prüft rechtliche Schritte
Das Executive Office of the Governor hat Kenntnis von Disneys letzten Bemühungen, kurz vor der Ratifizierung des neuen Gesetzes, mit dem Rechte und Befugnisse vom ehemaligen Reedy Creek Improvement District auf Disney übertragen werden, Verträge abzuschließen. Eine erste Prüfung hat ergeben, dass diese Verträge möglicherweise erhebliche rechtliche Mängel aufweisen, die die Verträge von Rechts wegen ungültig machen würden. Wir freuen uns, dass der neue, vom Gouverneur ernannte Vorstand mehrere Finanz- und Rechtsfirmen beauftragt hat, Audits durchzuführen und Disneys Verhalten in der Vergangenheit zu untersuchen.
Taryn Fenske, Kommunikationsdirektorin für das Büro von Gouverneur DeSantis
Vereinbarung zwischen Disney und Reedy Creek Improvement District kurz vor der Unterzeichnung des Gesetztes zur Auflösung des Districts
Der Vertrag, der Disney weitgehende Rechte überträgt, die früher dem Reedy District oblagen, trat an dem Tag in Kraft, an dem das von Gouverneur Ron DeSantis veranlasste Gesetz zur Auflösung des Reedy Creek Improvement District und der Neugründung des Central Florida Tourism Oversight District vom Repräsentantenhaus Floridas ratifiziert worden war.
Am Tag der Verabschiedung des Gesetzes durch das Repräsentantenhaus von Florida schlossen der frühere Vorstand und Disney eine Entwicklungsvereinbarung und vertragliche Beschränkungen ab, die dem District im Wesentlichen die Verwaltungsbefugnisse entzogen und Disney bestimmte Versprechen und Zugeständnisse für viele, viele Jahre in die Zukunft hinein machten.
Brian August, Mitglied des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District
Der neue Vertrag ist tatsächlich auf eine lange Dauer geschlossen. In diesem Vertrag, der mehrere versteckte Anspielung darauf macht, eine Unabhängigkeitserklärung zu sein, heißt es:
Diese Erklärung gilt bis 21 Jahre nach dem Tod des letzten Überlebenden der Nachkommenschaft von König Charles III., König von England, der zum Zeitpunkt dieser Erklärung lebt.
Zitat aus dem Vertrag zwischen Disney und dem Reedy Creek Improvement District
Diese Formulierung zeigt, neben der inhaltlichen Bedeutung natürlich auch, dass Disney in der sich nun lange ziehenden Auseinandersetzung mit DeSantis diesen fast schon öffentlich „trollen“ will.
In einer Stellungnahme betont Disney, dass der Vertrag korrekt geschlossen wurde, unter Einhaltung aller rechtlichen Bestimmungen und Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Alle zwischen Disney und dem Distrikt unterzeichneten Vereinbarungen waren angemessen und wurden in offenen und angekündigten öffentlichen Foren in Übereinstimmung mit Floridas “Government in the Sunshine”-Gesetz diskutiert und genehmigt.
Stellungnahme von Walt Disney World
Für die Mitglieder des Vorstandes des Central Florida Tourism Oversight District scheint der Vertrag aber überraschend zu kommen, auch wenn alle Informationen dazu, nachweislich, korrekt veröffentlicht wurden und vom Tag der Unterzeichnung an online auf der Webseite des Orange County Comptroller Phil Diamond einsehbar waren. Das mag auch daran liegen, dass, wie Mitglieder des Vorstandes selbst betonen, dem neuen Vorstand wenig Informationen zu seinen zukünftigen Aufgaben gegeben worden waren, außer der Auflage, einmal pro Monat zu tagen und eine interne Sitzungsordnung auszuarbeiten.
Der Inhalt der Vereinbarung zwischem dem Reedy Creek Improvement District und Disney
Neben der Übertragung von nahezu allen Verwaltungsrechten und baurechtlichen Bestimmungsrechten an Disney, die zuvor der Reedy Creek Improvement District inne hatte, enthält der Vertrag, für Fans sicher interessanter als die Verwaltungsregeln und Kompetenzen, die Zementierung eines Fortentwicklungsplanes von Walt Disney World bis ins Jahr 2032. Dieser umfasst unter anderem die Genehmigung für den Bau eines fünften Themenparks, zweier kleinerer themenparkähnlicher Anlagen, massiver neuer Hotelkapazitäten und Büroflächen.
Interessant ist dabei auch, dass die Aufgaben zum Bau und Erhalt der Infrastruktur dem Vertrag nach nicht vom Reedy Creek Improvement District an Disney übertragen wurden. Die Verpflichtung in Zukunft für die daraus resultierenden Kosten aufzukommen, die zuvor von Disney getragen wurden, war einer der öffentlichen Kritikpunkte an DeSantis‘ Gesetz zur Auflösung eigenverwalteter Distrikte (das im Übrigen nicht nur Disneys Reedy Creek Improvement District betrifft), da sie zu massiven Kosten für die Counties (Orange und Osceola) führen werden, in denen die neu gegründete Verwaltungseinheit liegt. Sollte der Vertrag Bestand haben, hat Disney hiermit DeSantis ein besonderes Schnippchen geschlagen, denn diese Kosten wären nun zukünftig weiterhin nicht von Disney zu tragen, sondern von den Counties, während fast alle relevanten Rechte vom Reedy Creek Improvement District auf Disney übergehen würden.
Die Auflösung des Reedy Creek Improvement District & der Konflikt zwischen Gouverneur DeSantis und Disney
Die Auflösung des Reedy Creek Improvement Districts und die nun erfolgte Gegenwehr Disneys ist im Kontext des nunmehr seit etwa einem Jahr anhaltenden Streits zwischen Disney und dem Gouverneur Floridas Ron DeSantis zu sehen, nachdem Disney sich massiv gegen dessen Parental Rights in Education-Gesetz gestellt hatte. Dieses Gesetz, das landläufig als „Don’t Say Gay“-Gesetz bezeichnet wird, hatte die Rechte von Schulen zur Aufklärung über Themen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität massiv eingeschränkt.
Nachdem Disney sich einige Zeit kaum dazu geäußert hatte, hatte das Unternehmen nach massivem Druck von Fan Community und LGBTQIA-Aktivisten deutlich Stellung bezogen, unter Vorreiterschaft des damaligen CEO Bob Chapek.
Diese Widerstand hatte Ron DeSantis dazu veranlasst, gegen Disney zurückzuschlagen, indem er ein Gesetz einbrachte, das zur Auflösung mehrerer von Unternehmen selbst verwalteter Distrikte in Florida führen sollte. Zu den betroffenen Distrikten zählte auch Reedy Creek Improvement District, der im Zuge der Entstehung von Walt Disney World geschaffen worden war.
Das Gesetz zur Auflösung dieser besonderen Districts sieht vor, alle vor dem 5. November 1968 so geschaffenen Distrikte aufzulösen, und betrifft neben dem am 12. Mai 1967 gegründeten Reedy Creek Improvement District auch fünf weitere der insgesamt 133 in Florida existieren Districts dieser Art.
Reedy Creek Improvement District
Der Reedy Creek Improvement District war 1967 im Zug des Reedy Creek Improvement Act gegründet worden und umfasst das Areal von Walt Disney World, das sich auf Orange County und Osceola County in Florida verteilt. Im Zuge dessen waren auch die beiden Kommunen City of Bay Lake und City of Reedy Creek (heute City of Lake Buena Vista) geschaffen worden, die notwendig waren, um die Regeln der Bürgerbeteiligung bei der Verwaltung von Distrikten zu erfüllen. Da eine freie Ansiedlung, abseits von von Disney ausgewählten Personen, auf dem Areal aber nie erfolgte, war diese rein formeller Natur. Aus dem Grund der Bürgerbeteiligung wurde später die Fläche, auf der die Disney Planstadt Celebration entstehen sollte, aus dem Reedy Creek Improvement District ausgegliedert worden, da deren Einwohner sonst Einfluss auf die Weiterentwicklung von Walt Disney World hätten nehmen können.
Der District war auf Initiative Disneys geschaffen worden, nachdem das Unternehmen den Behörden Floridas klarmachen konnte, dass ein Projekt der Größenordnung von Walt Disney World kaum realisierbar war, wenn dem Unternehmen nicht weitgehende Befugnisse zustanden. Vor allem hinsichtlich der ursprünglichen Planung für E.P.C.O.T., bei dessen Bau als Kommune viele neue Verfahren getestet werden sollten, erschien dies unumgänglich. Die faktische Gündung erfolgte auf einen Antrag der Grundstückseigentümer, die alle Tochtergesellschaften der Walt Disney Company waren hin, in zwei Schritten 1966 und 1967.
Vor der von DeSantis beschlossenen Auflösung des Districts, die zur Jahresmitte 2023 in Kraft treten wird, hatte der von Disney kontrollierte Reedy Creek Improvement District entscheidende Rechte wie die Raumplanung, die Aufstellung und Überwachung und Baurichtlinien (deutlich flexibler, aber auch ursprünglich mit höheren Sicherheitsstandards als im restlichen Florida), den Erlass von Baugenehmigungen (in aller Regel an Disney), den Bau und der Erhalt von Infrastruktur wie Straßen und anderen Transportwegen (abseits der durch das District verlaufenden Staatstraßen US Highway 192 und Interstate 4), die Energieversorgung (kurioserweise inkl. der Erlaubnis zum Bau und Betriebes eines eigenen Atomkraftwerkes), den Betrieb eines eigenen Fire Departments und weitere inne.
Auch das Recht zur Strafverfolgung und zum Betrieb polizeilicher Behörden lag beim Reedy Creek Improvement District, wurde aber vertraglich an die Behörden von Orange County, Osceola County und die Florida Highway Patrol übertragen, neben derer Disney nur seinen eigenen Sicherheitsdienst mit eingeschränkten Rechten betreibt.
Diese Rechte gingen dem Vertrag zwischen dem Reedy Creek Improvement District und Disney nach nun weitestgehend an Disney über.
Update 19.4.2023:
Ron DeSantis versucht zurückzuschlagen – und wirkt dabei mehr und mehr wie ein trotziges Kind
Inzwischen versucht Gouverneur Ron DeSantis zurückzuschlagen, auf mehreren Ebenen und über die Androhung rechtlicher Schritte gegen den Vertrag hinaus.
Strafsteuern für Disney und Straßenmaut
So brachte der Gouverneur von Florida auf verschiedenen Podiumsdiskussionen und zu anderen Anlässen Dinge wie Mautgebühren auf den Straßen, die nach Walt Disney World führen oder auf den Straßen innerhalb von Walt Disney World ins Spiel. Zumindest hinsichtlich wichtiger Zubringer wie der Interstate 4 (I4) und dem US Highway 192 (US192) gibt es hier aber wenig Chancen auf eine Durchsetzung, da die Verfügung darüber gar nicht Florida alleine obliegt.
DeSantis brachte auch die Idee erhöhter Steuern für die Disney Hotels ins Spiel, was eine Ungleichbehandlung wäre, die juristisch anfechtbar und kaum aufrecht zu erhalten wäre.
Staatliche Sicherheitsprüfungen der Attraktionen in Special Districts
Eine weitere Idee, die DeSantis zunehmend wie ein trotziges Kind aussehen lässt, ist es, die Attraktionen in Parks innerhalb von Special Districts, wie dem alten und auch neuen District, in dem Walt Disney World liegt, von staatlichen Behörden nach den Regeln Floridas auf ihre Sicherheit prüfen zu lassen. Was zunächst einmal nach mehr Sicherheit für die Attraktionen und somit für die Besucher klingt und sicher nicht nachteilig wäre, zeigt sich bei genauerer Betrachtung als Schikane. Die Attraktionen der Parks von Walt Disney World oder auch Universal – das ebenfalls in einem Special District liegt und somit auch betroffen wäre – werden längst regelmäßig unabhängig geprüft, nach Standards, die deutlich über denen liegen, die der Bundesstaat Florida vorgibt. Eine zusätzliche Prüfung würde also keinen Gewinn an Sicherheit, sondern nur zusätzliche Schließzeiten bedeuten.
Gefägnisse an der Grenze zu Walt Disney World
Eine weitere Idee von Ron DeSantis ist nun der Bau von Gefägnissen oder kommunalen Einrichtungen wie Mülldeponien auf Land des Central Florida Tourism Oversight District, das an Walt Disney World angrenzt, aber nicht Disney gehört. Eine weitere Maßnahme, die nicht nach der Idee eines seriösen Gouverneurs aussieht, sondern nach der eine trotzigen Kindes.
Anspruch des Central Florida Tourism Oversight District auf Oberhoheit
Auch das Central Florida Tourism Oversight District versucht, Kontrolle zurückzugewinnen. So hat es in einem Statement von 13. April, das es selbst als eine “Superior Authority Resolution” bezeichnet, für sich eine übergeordnete Kontrolle beansprucht, die Folgendes beinhalten soll:
Prüfung, Bearbeitung, Bewertung, Kommentierung und Genehmigung, Genehmigung mit Auflagen oder Ablehnung von Anträgen auf Erschließungsaufträge im gesamten Distrikt, einschließlich der Zuständigkeitsgrenzen der Stadt Lake Buena Vista und der Stadt Bay Lake.
Resolution No. 639, Central Florida Tourism Oversight District
Dieser Resolution, deren formeller Beschluss für heute bei einer Sitzung des Central Florida Tourism Oversight District geplant wird, wird von der weit überwiegenden Anzahl der zu diesem Thema befragten Juristen und Experten keinerlei Chance eingeräumt, juristisch Bestand zu haben. So sagt zum Beispiel Jacob Schumer, einer der führenden Experten für Regierungsrecht in Florida dazu:
In der Resolution geht es vor allem darum, dass die Vorschriften des Distrikts Vorrang vor den Regeln der Städte haben, die immer noch indirekt von Disney kontrolliert werden. Ich bin mir nicht sicher, ob sie planen, diesen Beschluss zu nutzen, um später Vorschriften zu erlassen, die auf die Entwicklungsvereinbarung [s.o. zwischen Disney und dem alten Vorstand des Reedy Creek Districts] abzielen, aber das sollte kein rechtlichtes Gewicht haben – wenn der Beschluss oder spätere Vorschriften oder andere Maßnahmen gegen die Vereinbarungen [zwischen Disney und dem alten Vorstand des Reedy Creek Districts] verstoßen, dann verletzen sie die Vereinbarungen, und Disney hätte einen Grund, sie zu stoppen
Jacob Schumer
Wir dürfen gespannt sein, welche Ideen DeSantis demnächst aus dem Hut zaubern wird – durchdacht scheinen bisher keine davon zu sein und rechtssicher noch viel weniger.