“Onkel Dagobert – sein Leben, seine Milliarden” – Vergleich zwischen Graphic Novel und Soundtrack – Teil 2
25.03.14, 14:00 |
Heute setzen wir unsere Detail-Betrachtung der Lieder von Tuomas Holopainen mit dem zweiten unserer Serie fort. Teil 1 könnt Ihr hier finden.
Zunächst begeben wir uns heute auf eine Reise nach Australien:
Lieder zu Onkel Dagobert – sein Leben, seine Milliarden im Detail
Dreamtime
Das Stück „Dreamtime“ widmet sich ganz der Geschichte „Der Jäger des verlorenen Opals“ und wird mit, zum Schauplatz der Geschichte (Australien) passenden Klängen des von Teho Majamäki gespielten Didgeridoos eingeleitet, das vor allem mit den Piano-Klängen Holopaines und einigen Percussions zum tragenden Element des ganzen Stückes wird.
Das gesamte Stück ist surreal und widmet sich eigentlich nur dem Kernstück der Geschichte Don Rosas, dem durch einen Aborigine geführten Gang Dagoberts über den Traumpfad, der den Traum von Bindagbindag, „gemalt am Urbeginn aller Zeitwerdung“ darstellt.
Und auch die Musik lässt wirklich das Gefühl entstehen, sich in einer Traumwelt zu befinden.
Der gegen Ende des Stückes einsetzende Gesang von Johanna Iivanainen, der irgendwo zwischen Choral und ethnischer Musik angesiedelt ist, verstärkt diese Wirkung noch einmal deutlich.
Schließlich klingt das Stück mit den dominierenden Klängen des Didgeridoos aus, die in rhythmische Percussion übergehen – erinnernd an das Klopfen auf Steinen und ein Ausblick auf das, was Dagobert bald erwarten wird – noch lange bevor das eintritt, was der Traumpfad ganz am Ende für Dagobert vorhersagt – aber das ist eine andere Geschichte.
Cold Heart of the Klondike
Das Stück „Cold Heart of the Klondike“ untermalt die Geschichte „Der Einsiedler am White Agony Creek“ gesungen von Tony Kakko, dem ersten Musiker, dem Tuomas Holopainen von seiner Idee erzählt hatte, und der selbst ein riesiger Don Rosa Fan ist und deshalb schon sehr früh darum bat, beteiligt sein zu können.
Eingeleitet wird der Song von Holopainen am Keyboard – mit Klängen, die kühl und glitzernd wirken, die den Hörer sofort an klirrendes Eis erinnern und an das Nordlicht, so wie es in kaltem blau auf dem Cover Artwork von Don Rosa zu finden ist.
Dann aber setzt der Chor ein, hart und schnell, und schreit den Titel des Songs „Cold Heart“ beinahe heraus mit einer Wucht, die sofort versinnbildlicht, welch harte Zeiten Dagobert in seiner Zeit am Klondike erlebte.
„Cold Heart“ steht dabei gleich für zwei Dinge – wortwörtlich für den Agony Creek, das eiskalte Gebiet im Herzen der Region entlang des Klondike, in dem Dagobert am Ende sein Gold findet, sinnbildlich aber auch für die menschliche Kälte, die Dagobert in einer Region erwartet, in der jeder nur für sich selbst kämpft.
Aber diese Gegend bietet auch Wunder und Faszination, dies ist die letzte Grenze, „The Final Frontier“, wie Tony Kakko hier als Erzähler singt, die Grenze zur ungezähmten Wildnis, in die sich Dagobert bis zum White Agony Creek vorkämpft, so fern seiner Heimat.
Teils sind hier Musik sowie auch Geschichte melancholisch, teils aber auch euphorisch.
Aber die Wildnis ist nicht alles was Dagobert erwartet – denn da ist auch Nelly, die Königin der Tanzlokale, der wahre Star des Nordens, die anfänglich nur ein kleines Lokal betreibt, später aber schon zur Besitzerin des besten Saloons aufgestiegen ist, die einerseits fasziniert ist von Dagobert, ihn andererseits aber auch als Herausforderung sieht und die zu seiner großen, unerfüllten Liebe werden soll. Auch sie wird von Tony Kakko besungen, aber steht nicht im Mittelpunkt des Stückes.
Insgesamt beschreibt dieser Titel weniger eine chronologische Geschichte, auch wenn erzählt wird, sondern vermittelt vielmehr die Stimmung, die auch in der Geschichte von Don Rosa dargestellt wird: voller Härte, aber auch voll von Dagoberts Kraft und Willen, die Wildnis, die zur Heimat Dagoberts wird und der er sich so verbunden fühlt.
Holopainen greift hier auch wieder auf ganz klassische Elemente aus den Soundtracks von Western-Filmen zurück. Vor allem ab der Mitte des Titels wird dies besonders deutlich, schwingt doch im Hintergrund immer wieder ein Melodielauf mit, der an die von Morricone komponierte finale Friedhofsszene aus „The Good, the Bad and the Ugly“ (Zwei glorreiche Halunken) erinnert.
Das Stück klingt leicht melancholisch aus und man fühlt sich an die Szene erinnert, in der Dagobert, nach dem Fund seines Nuggets in der Größe eines Straußeneis, für einen kurzen Moment daran zweifelt, ob er überhaupt reich sein will:
Reich sein oder nicht?
„Ich werde reich sein, aber nie mehr derselbe wie zuvor! Wird die Sonne heller scheinen, die klare Luft süßer schmecken, die eisige Nacht mehr Frieden bringen? Oder werde ich dies alles verlieren? Will ich wirklich reich sein?“
Aber dieser Moment hält nur kurz an – ja, er will reich sein und schreit es (im Lied nicht vorkommend) heraus – aber wir, als Fans, wissen, dass Dagobert noch weit mehr ist, und dass es ihm gar nicht um den Reichtum ging, sondern um etwas anderes – und als Fan weiß das auch Tuomas und so folgt als nächstes folgendes Stück:
The Last Sled
Mit „The Last Sled“, das natürlich „Der letzte Schlitten nach Dawson“ vertont, bricht Tuomas Holopainen aus dem Epos „Sein Leben seine Milliarden“ aus – zumindest aus der Reihe der 12 Kerngeschichten des Werkes.
Aber diese Geschichte konnte man einfach nicht auslassen – sie trifft wie wahrscheinlich keine andere den Kern von Dagoberts Wesen.
Angesiedelt teilweise in der Rosa’schen Jetzt-Zeit, teilweise wieder in Dagoberts Goldschürferzeit am Klondike, kurz nach dem Erreichen seiner ersten Million und in den Moment, in dem er Emanuel Erpel, den Enkel des großen Gründers von Entenhausen, Emil Erpel trifft und diesem ein Stück Land abkauft, wo er seine Zentrale errichten möchte.
Aber zuvor möchte Dagobert noch einmal an den White Agony Creek zurückkehren – und die Dinge von der Hütte an seinem Claim abholen, die ihm am wichtigsten sind.
Und kurz danach, als Dagobert einen letzten Blick zurückwirft, setzt das Lied ein – natürlich erneut gesungen von Alan Reid.
Der Text dazu stammt aber weder aus der Feder Don Rosas, noch aus der Tuomas Holopainens, sondern aus der des Poeten Robert Services, der als „The Bard of the Yukon“ bekannt wurde.
In der ursprünglichen deutschen Übersetzung der Geschichte wurde diese Stelle zu einer belanglosen Aneinanderreihung von Versen verhunzt, die ein fiktiver Dichter, Freddy Flenn, geschrieben haben soll – und dadurch vollkommen sinnentfremdet und verkitscht.
Zum Glück aber sind Neu-Übersetzungen manchmal doch sinnvoll – in diesem Fall besonders – wie hier durch Jano Rohleder für die Werkausgabe Don Rosas, die „Don Rosa Collection“ geschehen – die werkgetreu ist und damit die Inhalte vermittelt, die der Autor vermitteln wollte.
Denn mit der dritten Strophe des Gedichtes „The Spell of the Yukon“ von Robert Service wird Dagoberts innerstes Sein besser beschrieben, als an jeder anderen Stelle irgendeiner Geschichte – ging es ihm doch nie um das Gold selbst, sondern viel mehr um das Finden, um das Abenteuer, um das Erschaffen von Erinnerungen und so heißt es in Gedicht wie Lied:
The Spell of the Yukon von Robert Service
„There’s gold, and it’s haunting and haunting;
It’s luring me on as of old;
Yet it isn’t the gold that I’m wanting
So much as just finding the gold.
It’s the great, big broad land ‘way up yonder,
It’s the forests where silence has lease;
It’s the beauty that thrills me with wonder,
It’s the stillness that fills me with peace.“
Und so, wie Alan Reid das singt, vermittelt es genau die Stimmung, die Persönlichkeit, die Rosa von Dagobert gezeichnet hat – in der Nachfolge des großen Carl Barks.
Dieses Intro sorgt für Gänsehaut pur, die noch gesteigert wird, in dem Moment, in dem die beiden Johannas in den Gesang einfallen, als Nelly und als Schwester Dagoberts, die seinen wahren Charakter erkannt haben, die einerseits das Gedicht in der dritten Person rezitieren und andererseits aber auch erzählen, warum Dagobert überhaupt zum White Agony Creek zurückgekehrt ist – nicht, um noch mehr Gold zu finden, sondern um die Dinge auf den Schlitten zu laden, die ihm besonders am Herzen gelegen haben. Um eine Erinnerung, die sich Dagobert erschaffen hat zu beenden und aufzubrechen, zu neuen Möglichkeiten – vom Ende des einen Regenbogens auf, um nach dem nächsten zu suchen.
Denn auch wenn Dagobert reich ist, so will er weitere Abenteuer erleben, sich nicht auf seinem Reichtum ausruhen, und so wird an dieser Stelle des Stückes auch der Grabstein zitiert, den Don Rosa für Dagobert gezeichnet hat und auf dem der im Alter von 100 Jahren Verstorbene mit dem Satz: „fortuna favet fortibus“ – das Schicksal begünstigt die Tapferen – gewürdigt wird.
„Farewell White Agony Creek […] one day I will return to you“ setzen die beiden Johannas das Lied fort – und ja, Dagobert wird eines Tages an diesen Ort zurückkehren, denn in einem Schneesturm auf dem Mooseneck-Gletscher kommt ihm sein Schlitten abhanden, und mit diesem auch Dinge, die wirklich für ihn zählen.
Viele Jahre später kehrt Dagobert zurück, in der Begleitung von Neffen und Großneffen, um das zu finden was er verloren hat – und am Ende sind es Dinge, die nicht von materiellem Wert sind, wie das ein oberflächlicher Leser der Duck-Geschichten von Dagobert vielleicht erwarten würde, die sich auf seinem Schlitten befanden, sondern die Dinge, die ihn an das Erlebte erinnern sollten: seine alte Biberfellmütze, seine Felljacke, Kaffekanne und Bratpfanne – sofort erinnert er sich bei ihrem Anblick, wie besonders daraus zubereitete Dinge damals geschmeckt haben, in der Kälte, Einsamkeit und Kargheit des White Agony Creek – und natürlich Goldwäscherpfanne, Pickel und Schaufel, alles, was er damals hatte „um das harte Eis zu durchstoßen“, neben seinen zupackenden Händen.
Und natürlich: Pralinen für Nelly! Wer weiß, wie die Geschichte von Dagobert weiter verlaufen wäre, hätte er damals die Pralinen zu Nelly bringen und ihr seine Liebe offenbaren können.
„Erinnerungen“ sind nicht nur in diesem Stück ein Kernthema, das Holopainen aufgreift, sondern auch in zwei weiteren, die noch folgen werden.
Goodbye Papa
Mit Goodbye Papa kehrt Holopainen wieder zurück in den Kanon der 12 Kerngeschichten Rosas Epos – und Dagobert kehrt zurück nach Schottland.
Nach dem einleitenden Piano, von Holopainen gespielt, kehrt auch die Musik wieder zurück zu Dagoberts schottischen Wurzeln, bevor dann Flöten und Dudelsack einsetzen. Es wird triumphal – zumindest ist es wohl das, was Dagobert bei seiner Rückkehr erwartet, aber das ist sie ganz und gar nicht, denn Dagobert hat sich verändert, er ist stolz geworden, überheblich – ein Zustand der sich vor allem im nächsten Stück deutlicher zeigen soll.
Aber das ist nicht alles, in dem Moment, in dem er das Grab seiner wenige Jahre zuvor verstorbenen Mutter besucht, ist er wieder der alte Dagobert, der in Erinnerungen seinen weichen Kern zeigt – und hier wird vom orchestralen Ton wieder zum bedächtigen Piano gewechselt.
Gälische Trommeln setzten danach zusätzlich im Hintergrund ein und die Melodie wird wieder pathetischer – Dagobert will auch hier zeigen, dass er nicht nur reich sein kann, sondern sich bei den Highland-Games beweisen – eine kurze lustige Episode im Comic, eine kurze Episode im Lied. Dann aber wird es wieder melancholisch. Es kommt zum Kern des Stückes, zum Abschied. Dagobert möchte seine Schwestern und seinen Vater mit nach Amerika nehmen, Dietbert aber ist zu alt und so zeichnet die Musik einen melancholischen Abschied – nicht nur von Dietbert, sonder auch von Dankrade, die, wie wir es von den Ahnen der Ducks kennen, sich als Geist noch einmal auf den Balkon zu Dietbert gesellt, wo dieser seinen Kindern zum Abschied winkt, um danach mit seiner Frau zu den Duck’schen Vorfahren zu gehen, geführt vom legendären Sir Donnerbold – einer der stillsten Momente des Epos von Don Rosa ist auch gleichzeitig, im Ausklang dieses Stückes, einer der stillsten Momente des Werkes von Holopainen.
Und hier geht es weiter mit Teil 3
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