Jam Session à la Country Bears
12.02.24, 15:05 |
Seit über 50 Jahren spielen, jammen und musizieren ein Haufen Bären vom Hinterwald bekannte Standards der Country & Western Music in Orlandos Magic Kingdom. Ende Januar wurde die Familie nun aber in Rente geschickt, nur um später in diesem Jahr in gleicher Stärke und mit denselben Charakteren zurückzukehren. Der einzige Haken: Sie bekommen einen ganz neuen Soundtrack. Zeit also, die Familienchronik niederzuschreiben.
Was ist die Country Bear Jamboree?
Die Country Bear Jamboree begeistert seit 1971 millionenfach Besucher Walt Disney Worlds mit einer schwungvollen Revue, in der Klassiker der Country & Western Music von einer heiteren Bärenfamilie interpretiert werden. Doch die Country Bears sollten eigentlich in einer ganz anderen Kulisse ihre Show präsentieren. Noch zu Lebzeiten Walt Disneys wurde ein Plan geschmiedet, das Unternehmen in Sachen Ferien- und Freizeitaktivitäten auszubauen. Dafür kam gerade recht, dass im Sequoia Nationalpark ein Skiressort in der ehemaligen Silbermine „Mineral King“ entstehen sollte. Walt Disney, selbst begeisterter Skifahrer, bewarb sich also um die Rechte, dort eine Ferienanlage seines Geschmacks aufzubauen. Wenn Ihr mehr über das „Mineral King Resort“ erfahren wollt, sei Euch dieser Artikel wärmstens ans Herz gelegt.
Doch was genau haben jetzt Bären, die Country spielen, mit Skifahren zu tun? Ganz in Disney-Manier waren neben Übernachtungsmöglichkeiten, Skipisten, Wanderwegen und beiläufiger, unterhaltender Bildung auch fantastische Attraktionen mit neuester Audio-Animatronic-Technologie geplant. Daher erdachten die Imagineers Marc Davis und John Hench ein Erlebnis-Restaurant, in dem auf einzelnen Bühnen innerhalb der Gastraums die Bären verteilt würden, um Besucher während des Speisens mit verschiedenen Songs zu unterhalten.
Allerdings wurde das Projekt „Mineral King Resort“ nach einem langen zermürbenden Konflikt mit neu gegründeten Naturschutzvereinen, welche die ehemalige Silbermine der Umwelt überlassen wollten, 1969 wieder eingestampft. Vor allem die schlechte Publicity, die das Projekt nun umrankte, war eine der herausragendsten Ursachen dafür.
Florida-Hitze statt Après-Ski
Damit war das Country-Bear-Projekt jedoch nicht abgesägt, sondern noch höchstpersönlich von Walt zu einer seiner Lieblingsattraktionen erklärt. Ganz schnell sah man es also für das Magic Kingdom im gerade entstehenden Walt Disney World vor. Die heiteren Bären würden Quartier im Frontierland, genauer gesagt in der Grizzly Hall, beziehen. Marc Davis und Al Bertino, die zusammen das Konzept für die Bärenshow ausarbeiteten, setzen alles daran, das Bühnenprogramm bis zur Eröffnung am 01. Oktober 1971 fertigzustellen. Al Bertino wurde sogar in der Figur „Big Al“ als Animatronic verewigt.
Der fabelhafte Autor Xavier „X.“ Atencio und Musik-Arrangeur George Bruns schrieben die musikalische Komposition der Show. Zudem wählten sie weitere bekannte Country-Songs aus, welche von den Bären-Animatronics interpretiert wurden. Neben den Bären hatten auch ein Waschbär und die drei Trophäen-Köpfe Melvin (der Elch), Max (der Hirsch) und Buff (der Büffel) eine Rolle in der Show. Buff wurde vom bekannten Thurl Ravenscroft gesprochen. Dieser lieh seine Stimme bereits einer der singenden Büsten im Haunted Mansion oder auch verschiedenen Piraten in Pirates of the Carribean sowie Fritz, dem deutschen Papagei in Walt Disney’s Enchanted Tiki Room.
So geschah es, dass die Country Bear Jamboree zusammen mit dem Magic Kingdom in Orlando innerhalb des Frontierlands Premiere feierte. Als Hauptsponsor für die musikalische Revue konnte Disney PepsiCo. gewinnen, die ihre Marken Pepsi-Cola und Frito-Lay prominent auf dem Eingangsschild platzierten. Schlagartig wurde die 16-minütige Darbietung zu einer der beliebtesten Shows mit ellenlangen Wartezeiten.
Die Show im Detail
Mehr zur Show könnt Ihr übrigens hier in unserem umfangreichen Walt Disney World Reiseführer lesen. Da ich jedoch vermute, dass der verlinkte Artikel demnächst mit der neuen Show aktualisiert wird, erlaubt mir, auch hier einen kleinen Abriss zu erwähnen:
Wir stehen im Frontierland im Magic Kingdom vor der Grizzly Hall, die laut der Plakette über dem Eingang schon 1899 erbaut worden sein soll, und entdecken eine etwas morbide Dekoration auf dem Balkon. Dort sind zwei Bärenfelle angebracht, was uns überlegen lässt, ob unsere Country-Bären möglicherweise eine Warnung an feindliche Bärenstämme aussprechen oder so sehr an ihren Vorfahren hängen, dass sie sehr persönliche Andenken aufhängen.
Wie dem auch sei, wir nehmen im Theater Platz und warten auf den Beginn. Nachdem uns ein Cast Member die üblichen Sicherheitsanweisungen vorträgt, erwachen die drei Trophäen-Köpfe an der Wand neben uns zum Leben. Sie agieren als Anheizer und bitten Henry, den Gastgeber, auf die Bühne.
Nun beginnt ein bunter Reigen von vergnüglichen bis ernsten Country-Songs. Einige davon wurden speziell für die Show geschrieben, andere sind wohlbekannte Weisen von anderen Interpreten. Henry stellt zwischen den Musikstücken die folgenden Künstler vor.
Die Bären der Country Bear Jamboree
Ablauf der Show
Meist wird Henry von Gomer am Klavier begleitet, der sich einen Honig-Drink in der Wabe mit Bienen als integralem Bestandteil auf dem Instrument abgestellt hat. Die erste Band ist die sechsköpfige Familie um Zeke: The Five Bear Rugs (weitere Mitglieder sind Zeb, Ted, Fred und Tennessee). Klein Baby Oskar, der Sohn von Zeb und kein ordentliches Mitglied der Band, drückt ab und an auf seinen Teddy-Bär, der ein Quietsche-Geräusch als i-Tüpfelchen von sich gibt.
Danach geht Wendell an den Start. Er zupft die Mandoline und singt zwei Songs zusammen mit Henry. Zwischendrin kabbeln und necken sie sich, während sie damit ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellen.
Ein Publikumsliebling betritt die Bühne
Nun betritt einer der großen Show-Lieblinge die Bühne. Liver Lips McGrowl, der eine Ballade für sein nicht ganz hübsche, aber liebevolle Frau ins Mikro schnulzt. Nachdem sich Liver Lips wieder backstage begeben hat, moderiert Henry die Bärin Trixie an, die uns ein Lied über Wein und Tränen zu Letzteren rührt. Sie ist bekleidet mit einem blauen Tütü und einer feinen ebenfalls blauen Schleife. Auf sie folgt nun Terrence, der nur mit einem Hut bekleidet die Ukulele streichelt.
Mit dem Sun Bonnet Trio eine Reminiszenz an bekannte weibliche Trios, und zwar Bunny, Bubbles und Beulah. Sie singen das Lied “All the guys, that turn me on, turn me down” und der Titel spricht ganz für sich. Der Text wird mit einer Art Diashow von Trixie, die keinen Erfolg bei gezeigten männlichen Exemplaren hat, illustriert.
Als die drei Bären-Mädchen ihr Lied zu Ende geträllert haben, betritt Ernest die Bühne, um mit seiner reich verzierten Fiedel auf dem Knie davor warnt, nicht zu bellen, wenn man nicht auch beißen kann. Hierauf folgt das Highlight der Show, die Bärendame Teddi Barra, die aus der Decke auf einer Schaukel herabschwebt und ihr Lied wie eine wahre Diva interpretiert. Zum Abschied lädt sie Henry in ihr Boudoir ein. Er antwortet ihr nonchalant, dass er der Einladung gerne Folge leistet, sobald er eine entsprechend lange Leiter findet.
Big Al, ein weiterer Star der Show singt “Blood on the sattle”. Da er noch weiter flötet, ob wohl er nach seinem Lied hinter den Vorhang geschickt wurde, versuchen alle anderen Bären, ihn lautstark mit dem Lied “Old Slew Foot” niederzusingen.
Die Country Bears außerhalb der Country Bear Jamboree
Vier der Bärenfamilie sind sogar als Walkaround-Character ab und an im Frontierland unterwegs oder sie stehen winkend auf dem Balkon über dem Theater: Big Al, Wendell, Liver Lips und Terrence. Big Al’s Hütte, die vor der Grizzly Hall steht und früher von Big Al bewohnt wurde, wurde zu einem Merchandise-Laden umgebaut, damit die begeisterten Fans diverse Devotionalien nach Hause nehmen konnten. Es wird gemunkelt, der große Bär wohne nun im Keller der Grizzly Hall.
Expansion nach Kalifornien und Japan
Dieser überwältigende Andrang veranlasste Disney dazu, ein Jahr später, also 1972, die Bären vom Land auch nach Kalifornien ins Disneyland zu bringen. Auf dem ehemaligen „Indian Village“, in dem amerikanische Natives ihre traditionellen Tänze, Gesänge und Lebensweisen dem geneigten Publikum näher brachten, wurde nun das „Bear Country“ errichtet, ganz zu Ehren der singenden Karnivoren.
Die Bande spielte nun in der neuen Grizzly Hall – und zwar in zwei Theatern gleichzeitig. Grund war, dass das Disney-Management mit ebenso viel Andrang rechnete wie in Disney World. Weiterhin wurde ein Restaurant, das heutige „Hungry Bears Restaurant“ und eine Spielhalle mit dem Namen „Teddi Berra’s Swingin’ Arcade“.
Doch das Bear Country wurde in einem aus Besuchersicht toten Winkel gebaut, sodass eher wenige Menschen sich dorthin verliefen. Wenn Du die Country Bears sehen wolltest, musstest Du ganz bewusst diesen Ort ansteuern. Daher kam es, dass die Attraktion nicht ganz so beliebt war wie in Florida.
Die Bären kommen nach Asien
Für das Tokyo Disney Resort gab es ebenfalls eine Adaption der Landbären, welche fast 1:1 gespielt wird. Nur einige Songs sind auf Japanisch, genauso wie die Moderationsblöcke dazwischen. Außerdem sind die Vorhänge hinter den Bären schwarz statt rot.
1984 wollte das neue Disney-Management unter Michael Eisner etwas mehr Pep in die Attraktion bringen. Deshalb hat das Team mit Beginn der Weihnachts-Saison eine entsprechende Show-Variante zusammengestellt. Das ist übrigens das erste Mal in der Geschichte der Disney-Parks, dass ein saisonal passendes Thema über eine Attraktion gelegt wurde. 1986 sollte noch eine dritte temporäre Show-Variante etabliert werden. Im Rennen waren eine Halloween-Show, eine Award-Show (vermutlich in Bezug auf die Grammys) oder eine Sommerferien-Show, wobei sich für die Letztere am wenigsten Mühe gegeben wurde, damit sie nicht gewählt würde. Am liebsten hätten die Imagineers die Halloween- oder Award-Show gemacht. Das Management jedoch entschied sich für die Sommer-Show.
Der langsame Verfall der Landbären
Das brachte der Show im Disneyland allerdings keinen weiteren Aufschub, genauso wenig wie die Eröffnung von Splash Mountain 1989. Der Themenbereich wurde aufgrund der nun mannigfaltigen Fauna in „Critter Country“ umbenannt. In Florida indes waren die originale Variante der Jamborees sowie die Weihnachts-Show weiterhin ein Renner. Nur der Vacation Hoedown interessierte wenig. Daher entschied Disney, die Urlaubsbären einzumotten und nur noch zwischen Original und Weihnachten zu wechseln. In Tokio übrigens spielen bis zum heutigen Tage alle drei Show-Variationen zu unterschiedlichen Jahreszeiten, weil sie alle gleich beliebt beim dortigen Publikum sind.
In Anaheim blieben die Bären ganzjährig im Ferienmodus – bis zu ihrer Schließung im Jahre 2001. Sie wurden durch The Many Adventures Of Winnie The Puuh ersetzt. Das ist die Attraktion, die im Magic Kingdom in Orlando den früheren Dark Ride Mr. Toad’s Wild Ride übernahm. Die Weihnachts-Show hielt in Disney World noch bis 2005 durch, wurde allerdings wegen Budget-Kürzungen seit 2006 nicht mehr aufgeführt.
Jüngste Entwicklungen und die Zukunft der Country Bears
Im Jahre 2012 wurde das Country Bear Jamboree in Orlando nach einer Wartungspause in gekürzter Version wiederaufgeführt. Man hat bei Disney dem sich stetig wandelnden Zeitgeist Tribut gezollt und einige despektierlich wahrgenommene Lieder entfernt, genauso wie einen Teil der Neckereien unter den zumeist männlichen Bären. Diese Show lief bis vor wenigen Tagen. Und jetzt? Am 27.01.2024 gingen die Bären vom Land wieder einmal in eine längere Pause. Es wird ein neues Showkonzept auf Basis von bekannten Disney Songs wie „Bare Neccessities“ aus dem “Dschungelbuch“ aufgesetzt. Wir sagen den alten Bären deshalb leis’ Servus und verabschieden sie mit diesem Video, das am letzten Tag vor der temporären Schließung aufgenommen wurde:
Und als letztes Schmankerl noch ein Video, wie die Show von 1971 bis 2012 gespielt wurde (also vor den Kürzungen):
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