Die Geschichte von Disney’s Discovery Island
12.08.21, 11:00 |
Viele Disney-World-Fans kennen “Discovery Island” heutzutage als Bestandteil von Disney’s Animal Kingdom. Doch bis ins Jahr 1999 war Discovery Island ein eigener Mini-Tierpark. Gelegen auf der Insel inmitten des Bay Lakes konnten Besucher von Walt Disney World sich eine Auszeit vom Trubel der Themenparks genehmigen und in tropischer Atmosphäre einen kleinen Blick in die Wunderwelt exotischer Vögel und anderen tierischen Lebewesen erhaschen. Wie Discovery Island entstand und warum sie heuer als ‚verbotene Insel‘ gilt, beleuchte ich in diesem Artikel.
Eine lange zurückreichende Geschichte
Discovery Island ging vor ihrer Zeit als Mini-Tierpark in Disney World durch mehrere Hände. In den meisten Quellen, die ich konsultiert habe, wird sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „Raz Island“ bezeichnet, welches der Nachname der Familie sei, die sie damals besaß. Ein Artikel der Seite RetroWDW allerdings hatte sich mit der Vorgeschichte von Discovery Island beschäftigt und herausgefunden, dass wohl der Name „Riles Island“ richtig sei, denn der Name der Besitzer lautete Riles, nicht Raz. Vermutlich kam der Name „Raz“ von einem Verhörer und wird seitdem in allen historischen Betrachtungen zu Discovery Island genannt.
In den 1930ern kaufte dann ein bekannter Radiomoderator, Delmar Nicholson – Spitzname “Radio Nick”, die Insel und machte aus dem Eiland einen Rückzugsort für sich, seine Frau und seine Haustier, ein Kranich. Er züchtete zudem diverse Fruchtpflanzen wie Limettenbäume und Mangos. Später verkaufte Radio Nick sein liebgewonnenes “Idyl Bay Isle“ weiter, durfte jedoch noch eine Weile dort wohnen bleiben. Erst 1955 verließ er die Insel endgültig, als sie ein weiteres Mal verkauft wurde. Die neuen Besitzer nannten sich “Bay Isle Club” und nutzen die Insel im Bay Lake unter anderem als Ort der Entspannung. Sie öffneten sie jedoch auch zur Miete für diverse örtliche Vereine, die dort Zusammenkünfte abhalten wollten.
Walt Disney ‘verliebt’ sich in die Bay Isle
Springen wir vorwärts ins Jahr 1964, als Disney bebaubares Land für das “Florida Project” oder “Project X” evaluierte. Eine Legende besagt, dass Walt während eines Fluges über das von Harrison “Buzz” Price, dem vertrauten Standort-Analysten der Disney Company, vorgeschlagene Land auf den Bay Lake schaute und beim Anblick der späteren Discovery Island zu seinen Begleitern sagte: “Das ist es!” Wenn wir dieser Sage glauben schenken dürfen, war also dieses kleine Eiland mitten im Bay Lake der ausschlaggebende Grund dafür, dass Walt Disney World dort erbaut wurde, wo es jetzt steht. 1965 wurde dann nach einer Enthüllungsgeschichte des Orlando Sentinel bekannt, dass Disney ein riesiges Grundstück in Zentralflorida aufgekauft hatte. Daraufhin wurde eine groß angelegte Pressekonferenz zum Kauf der Landmasse und dem Konzept, was hier entstehen sollte, abgehalten.
Ein Jahr später im Dezember verstarb Walt und die Welt stand gefühlt still. Seine Firma jedenfalls war lange in einem Zustand der Lähmung. Man wusste nicht so recht, ob und wie man mit dem Besitz in Florida umgehen wolle. Roy Disney, Walts Bruder, der aus seinem Ruhestand zurückkehrte, um die Geschäfte zu führen, entschied, dass man zu Ehren des eigentlichen Firmengründers den Landbesitz weiterentwickeln und eine weitere, größere Themenpark-Anlage bauen solle. Daraus entstand das Walt Disney World Resort, wie wir es auch heute noch kennen.
Zunächst hat man ein neues Disneyland, nun mit dem offiziellen Namen “Magic Kingdom”, sowie den Hotels “Polynesian Village” und “Contemporary Resort” als auch dem Campingplatz “Fort Wilderness” eröffnet. Es sollten in der Zukunft noch drei weitere Freizeit- und Wasserparks hinzukommen.
Die Bay-Lake-Insel wird disney-fiziert
Auf die Bay-Lake-Insel wurde ebenso weiterhin ein Augenmerk gelegt. Zunächst planten die Imagineers sie zu einem Minipark mit Piratenmotiv umzugestalten. Auf dieser sollten kleine und große Freibeuter Abenteuer wie der große Black Beard erleben können. So wurde sie auch in den Promo-Materialien und Übersichtskarten beworben. Sie schafften rund 42.000 Kubikmeter Erde an, um die Insel a) zu vergrößern auf die heutigen ca. 4,4 Hektar, die sie umfasst, und b) künstliche Erhebungen für Höhlen und Ähnliches aufzuschütten.
Im Jahr 1974 eröffnete sie jedoch dann unter dem Namen “Treasure Island”, ebenfalls eine Disney-Verfilmung des berühmten Romans “Die Schatzinsel” aus dem Jahr 1950. Es wurden diverse Pflanzen aus Südafrika, China und dem Himalaya importiert, um der Insel ein tropisches Flair zu verpassen. Weiterhin hatten sich die Imagineers in den Kopf gesetzt, dort exotischen und gefährdeten Tierarten ein neues Zuhause zu geben. Unter anderem war sie die letzte Heimat der Schwarzen Strandammer, einer Vogelart, die seit 1987 endgültig als ausgestorben gilt, als der letzte Vogel dieser Art auf Discovery Island verstarb. Weiterhin gab es auf der Insel auch Brut und Zuchtstationen für bedrohte Tierarten.
Piraten und eine tropische Tier- und Pflanzenwelt
Die Insel konnte von interessierten Gästen jedoch nur mittels Wassertransport und gegen ein separat zu erwerbendes Ticket betreten werden. Ein Besuch der Insel war auch in der sogenannten “Walt Disney World Cruise”, eine Ausfahrt über die Seven Seas Lagoon und den Bay Lake, integriert. Das Piratenthema lose beibehaltend, wurde die Insel nun zu einem ruhigeren Teil von WDW. Dort konnten Besucher am Strand das Wrack der “Walrus”, dem Schiff der Romanfigur Kapitän Flint begutachten. Oder sie konnten auf extra angelegten, erhöhten Holzplanken-Pfaden die Insel und deren tierische Bewohner erkunden. Die Cast Member waren als Piraten verkleidet und gaben zu den einzelnen Tierarten, die sich auf der Insel befanden, gerne Auskunft. Auch eine Piratentaverne, das „Olde Anchor Inn“, lud durstige Touristen zum Verweilen und Entspannen ein.
Da das Piratenthema nicht so richtig zu dem Tierpark passen wollte, wurde aus Treasure Island im Jahr 1978 dann das auch heute noch bekannte Discovery Island. Die größten Attraktionen waren zweifelsohne die Galapagos Schildkröten, von denen es einige Exemplare auf Discovery Island zu bestaunen gab. Aber auch Flamingos, diverse Papageien-Arten und andere Vogelstämme waren Teil der Artenfamilie auf Discovery Island. Die tägliche Vogelflug-Show namens „Jose Carioca Flyers“ präsentierte unter anderem Aras ihre Flugkünste.
Im TV-Weihnachtsspezial aus Walt Disney World wurde Discovery Island auch gleich als Kulisse genutzt, um der damals recht bekannten Pop-Rock-Band „Pablo Cruise“ als angemessenen Hintergrund für deren Darbietung zu dienen.
Offizielle Anerkennung als zoologischer Garten
Die Arterhaltungsbemühungen Disneys fanden 1981 Anerkennung durch die Amerikanische Vereinigung Zoologischer Gärten und Aquarien, als sie Discovery Island zu einem offiziellen zoologischen Garten ernannten. Als krasser Kontrast zum bunten und lauten Treiben der anderen Disney-Parks war Discovery Island allerdings weniger beliebt. Vermutlich, weil sie bei Kindern als langweilig galt und vor allem die Erwachsenen sich hierhin verkrümelten, wenn sie an Reizüberflutung litten. Ein weiterer Grund war dann auch höchstwahrscheinlich, dass es sich um eine zusätzlich zu bezahlender Anlage handelte.
In Verruf kam Discovery Island zudem kurzzeitig, als einige Cast Member vor Gericht der Tierquälerei und des illegalen Abschießens von Falken und Habichten, potenzieller Gefahren für die gefiederten Anlieger der Insel, angeklagt wurden. Man könnte nun meinen, dass dieser Umstand dazu geführt haben mag, Discovery Island den Gnadenstoß zu versetzten, doch der Betrieb des Tierparks wurde noch bis zum 08. April 1999, exakt zum 25. Jubiläum aufrecht erhalten. Doch welcher Umstand war es dann, der Disney dazu brachte, den Tierpark zu schließen? Ganz einfach: Disney’s Animal Kingdom.
Animal Kingdom gräbt Discovery Island das Wasser ab
Dieser weitaus größere und zugänglichere zoologische Themenpark war der entscheidende Punkt, Discover Island zu verlassen. Als das Animal Kingdom eröffnete, wurde auch eine dort ansässige Discovery Island errichtet. Auf dieser künstlichen Fast-Insel befindet sich neben Tierbeobachtungsstationen auch der Tree of Life, das Wahrzeichen des Parks und das „Theater in the Wild“, in welchem Ihr die 4D-Show „It’s tough to be bug“ mehrmals täglich sehen könnt.
Es war eine klare, wirtschaftliche und einfache Entscheidung, Discovery Island im Bay Lake zugunsten des Animal Kingdoms zu schließen. Seit jenem 8. April 1999 steht die Insel daher leer. Immer noch mit allem Equipment, welches vor langer Zeit einst dort eingerichtet wurde und immer noch noch mit allerlei Wildtieren wie Schlangen und durchaus auch Alligatoren.
Seitdem gab es auch immer wieder Spekulationen, ob die verlassene Insel im Bay Lake eventuell für eine Umgestaltung herangezogen werden könnte. Einige Gerüchte besagten, dass es eine Kooperation mit dem in den frühen 2000er-Jahren erfolgreichen Computerspiels „Myst“ geben würde, welches dann auf der Insel zu einer real erlebbaren Variante des Spieles führe. Als die ABC-Fernsehserie (der Sender gehört übrigens zum Disney-Konzern) „Lost“ 2004 durch die Decke ging, gab es in den Disney-Foren im Internet Spekulationen, ob man das ehemalige Discovery Island nun zur „Lost-Island“ umthematisiert. Danach gab es noch weitere Vermutungen darüber, ob man hier exklusive Villen zur Vermietung für Hochzeitsreisende oder ähnliches errichten würde.
Die Insel im Bay Lake bleibt weiterhin für die Öffentlichkeit unzugänglich
Doch weder „Myst“ noch „Lost“ fanden auf der Insel statt. Sie bleibt bis zum heutigen Tage ‚verbotenes‘ Gelände. Verboten aus Sicherheitsgründen, die mitunter Leib und Leben bedrohen könnten. Wie gesagt, auf der Insel sind mittlerweile mitunter gefährliche Wildtiere heimisch geworden und die noch vorhandenen Gebäude, Gehege und ehemaligen Gehwege sind morsch, baufällig und mit Sicherheit auch teilweise einsturzgefährdet. Alles sehr gute Gründe das Betreten der Insel unter Strafe zu stellen, denn alles andere wäre grob fahrlässig.
Trotzdem wagen sich immer mal wieder unverbesserliche Urban Explorer auf den unheilvollen Trip über den Bay Lake zu dem kleinen Eiland. Sie filmen, fotografieren und werden meistens auch geschnappt. Das Ergebnis solcher waghalsigen Ausflüge ist immer ein generelles Hausverbot aus allen Disney-Parks. Daher werde ich auch keinen dieser Urban Explorer hier verlinken, weil ich diese illegalen Unternehmungen nicht unterstütze. Erst kürzlich (im Mai 2020) wurde wieder ein Urban Explorer verhaftet, der auf Discovery Island kampiert hatte.
Legale Wege, um einen Blick auf die Discovery Island zu werfen
Was man allerdings machen kann, ist, beim Überqueren des Bay Lake mit einer der Fähren von Fort Wilderness aus in Richtung Magic Kingdom, Contemporary Resort oder Wilderness Lodge einen intensiven Blick auf Discovery Island zu werfen und unter anderem Reminiszenzen an den alten Mini-Tierpark zu erhaschen. Zum Beispiel das alte Dock, wo die Boote anlegten und auch das Wrack der „Walrus“ sind unter der sich ausbreitenden Flora schemenhaft auszumachen.
Wir warten derweil weiterhin ab, ob die ehemalige „Discovery Island“ irgendwann wieder zu einem betretbaren Bestandteil des „Vacation Kingdom of the World“ werden wird. Zum Abschluss könnt Ihr Euch hier noch einen Videorundgang auf der Discovery Island gönnen:
Bildquellen:
Bootsanleger an der Discovery Island im Bay Lake in Walt Disney World: New York Post
Roy Disney auf der ehemaligen „Riles Island“, Foto aus dem privaten Besitz von Jim Korkis: mouseplanet.info
Schwarze Strandammer: Wikipedia
Übersichtskarte „Treasure Island“, 1977, Copyright „Walt Disney Company“: allears.net
Broschüre Discovery Island, 1979, Copyright “Walt Disney Company”: allears.net
Myst, Insel-Ansicht, Copyright Cyan-Welten: https://images.cgames.de/images/gamestar/279/myst_6026181.jpg
Vogelperspektive auf Discovery Island, Copyright “Bioreconstruct”: „Bioreconstruct“, via Twitter https://twitter.com/bioreconstruct