Autor und Ex-Imagineer David Younger im Interview – Teil 2
26.06.16, 13:00 |
Heute setzen wir unser Interview mit David Younger, dem Autor von “Theme Park Design & The Art of Themed Entertainment” fort.
Den ersten Teil des Interviews könnt Ihr hier finden.
Im zweiten Teil sprechen David und Torsten über den Weg zu Davids Standardwerk zum Thema Theme Park Design, was sein Buch zu einem besondern Werk macht und die Geschichte thematisierter Unterhaltung.
Torsten: Lass uns nun über Dein Buch an sich reden. Zuerst einmal habe ich gesehen, dass es einige Missverständnisse unter Leuten gab, die Dein Buch für ein schönes Hochglanz-Bilderbuch für Themenparkfans hielten, so wie beispielsweise “Disneyland Paris – from Sketch to reality” von Alain Littaye und Didier Ghez oder wie die offiziellen “Walt Disney Imagineering” Bücher. Erzähl uns doch mal, was Dein Buch in Wirklichkeit ist und an wen es sich in erster Linie richtet.
David: Das ist richtig. Die Leute sollten sich darüber im Klaren sein, dass es sich definitiv um ein Lehrbuch und nicht um ein Bilderbuch handelt. Aber gerade weil es ein Lehrbuch ist, habe ich jede Menge interessante Informationen auf den Seiten untergebracht (und das sind viele, fast 600 in großem Format!). In erster Linie wendet sich dieses Buch an Menschen, die wirklich Themenparks entwerfen, ob das nun ein Handbuch für Themenpark Profis ist, die noch schnell etwas nachschlagen wollen, bevor sie ein neues Projekt angehen oder ein Lehrbuch für Designstudenten, die alles von A bis Z zum Themenparkdesign lernen wollen. Aber ebenso ist das Buch für all die Themenparkfans gedacht, die mal einen Blick hinter die Kulissen werfen und herausfinden möchten, wie der Zauber von Themenparks wirklich funktioniert. Das Buch deckt von Geschäftsmodellen über das Design Programming [mathematische Berechnungen zur Rentabilität eines Parks, einer Attraktion oder eines anderen thematisierten Elemtes. Anm. Red.] bis zu Story Writing, Landschaftsgestaltung und Achterbahndesign alles ab. Wenn Du Dich also zum Beispiel für die Forced Perspective, Hub&Spoke-Layouts oder Wienies [visuelle Anziehungspunkte. Anm. Red.] interessierst, hat dieses Buch eine Menge interessanter Informationen für Dich zu bieten. Es ist in neun Kapitel und jede Menge Unterkapitel gegliedert, so dass man leicht von einem Thema zum anderen springen kann, ganz egal, ob man sich für das Design von Fahrgeschäften, von Shows oder die Thematisierung allgemein interessiert.
Was macht das Buch “Theme Park Design & The Art of Themed Entertainment” von David Younger aus?
Torsten: Also sollte sich jeder eingefleischte Themenparkfan ein Exemplar besorgen und es lesen?
David: Falls man sich jemals gefragt haben sollte, wie Themenparks designt werden, wird man dieses Buch auf jeden Fall interessant finden. Am besten am Buch finde ich, dass ich viele Zitate von angesehenen Designern anführen konnte, in denen sie erklären, wie sie selbst in meinem Buch beschriebene Konzepte auf reale Projekte angewendet haben. Das Buch kann beispielsweise Aufschluss darüber geben, woran Designer denken, wenn sie ein Grundstück für einen neuen Themenpark aussuchen. Ich kann dann Steve Kirk zitieren, Designer von Tokyo DisneySea und welche Erwägungen er für American Waterfront, Lost River Delta, Mermaid Lagoon usw. in Betracht zog. Ich kann über Layouts von Fahrgeschäften schreiben und dabei Toni Baxter erklären lassen, wie er diese auf das Indiana Jones Adventure angewandt hat oder über Landschaftsgestaltung schreiben und dazu Eddie Sotto über die Main Street, U.S.A. im Disneyland Paris sprechen lassen oder ich schreibe über Achterbahndesign und John Wardley erzählt etwas dazu über Nemesis in Alton Towers! Ich finde deren Weisheiten immer noch faszinierend zu lesen.
Torsten: Dein Buch gibt einen tiefen Einblick in die Themenparkindustrie und wie Du gerade gesagt hast, war es Dir möglich mit vielen Designern zu sprechen. Du hast für das Buch viele Leute aus der Branche interviewt und auch “geheime” Funktionsmechanismen veröffentlicht. War es leicht Deine Interviewpartner über all diese Details zum Reden zu bringen oder wurdest Du auch mit Skepsis konfrontiert?
David: Ich hatte das unglaubliche Glück, dass sich die Designer, mit denen ich sprach, sehr aufgeschlossen und enthusiastisch zeigten. Wie ich vorhin schon erwähnte, hatten sich viele von ihnen ein solches Buch schon lange ersehnt! Ich habe oft gemerkt, dass Themenparkdesigner große Fans dieses Mediums sind und daher alles, was dazu beiträgt dieses zu innovieren und zu zelebrieren sehr schätzen. Es gibt natürlich auch die Auffassung, dass Design angeboren, ein Talent, sei, das man entweder hat oder eben nicht und dass da auch kein Lehrbuch weiterhelfen könne. Bis zu einem bestimmten Grad ist das sicherlich richtig, aber das Gute, das sich in den Gesprächen mit den von mir seit vielen Jahren verehrten Designern herausstellte, war die Tatsache, dass sehr viel von den Mentoren abhängt und von dem, was sie einem mit auf den Weg geben. Denn auf diese Basis kann man bauen und dadurch Dinge vorwärtsbringen. Sie versicherten mir, dass mein Buch diese Mentorenfunktion übernehmen könne, nur eben in Wort und Schrift und dass auf diese Weise jeder, der einen Funken des Designers in sich trüge, die Weisheiten dieser Industrie aussichtsreich lernen könne.
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Torsten: Dir ist es gelungen, dass Tony Baxter das Vorwort zu Deinem Buch geschrieben hat. Das ist bestimmt besonders großartig für einen Menschen, dessen Enthusiasmus für Themenparks durch die Eröffnung des Disneyland Paris 1992 geweckt wurde.
David: Das stimmt genau! Es gibt viele Designer vor denen ich riesigen Respekt habe, aber Tony Baxters Einfluss auf das Themenparkdesign bedeutet mir am meisten, das fängt an beim Disneyland Paris und geht zu Attraktionen wie Star Tours und Indiana Jones Adventure. Als Tony sich zur Ruhe setze war ich traurig, da ich dachte nun nicht mehr an einem Projekt für ihn arbeiten zu können. Aber als ich bei Imagineering anfing und herausfand, dass Tony noch als Mentor für Imagineering-Mitarbeiter zur Verfügung stand, war ich begeistert und er wiederum war von meinem Buch unglaublich begeistert. Ich durfte Stunden mit ihm im Büro und im Disneyland verbringen und über Themenparkdesign, meine eigenen Erfahrungen und über Informationen, die ich für mein Buch zusammengetragen hatte, diskutieren. Das war für mich, als ob ein Traum wahr werden würde. Als er einwilligte das Vorwort zu meinem Buch zu schreiben (und was für ein tolles Vorwort es geworden ist!) hat sich meine Kindheitstraum, nämlich an einem Projekt mit Tony Baxter zu arbeiten – nur anstatt dass ich etwas für ihn entwarf, er etwas für mich schrieb – erfüllt!
Ein Blick die Geschichte thematisierter Unterhaltung
Torsten: Dein Buch deckt nicht nur die Techniken und das Geschäft von Themenparks ab, es geht weit darüberhinaus. Es gibt auch ein Kapitel zur Geschichte thematisierter Unterhaltungseinrichtungen, das Du bis auf die Zeit der Lustgärten in Europa zurückführst, die ihre Ursprünge im Mittelalter haben. Ist bei dieser Gestaltung eine Art roter Faden oder ein Leitmotiv erkennbar, das sich durch die Jahrhunderte bis heute durchgezogen hat und das alle Dinge zusammenhält?
David: Ich dachte mir, dass es für das Verstehen von Themenparkdesign nützlich sei, auch den historischen Rahmen abzustecken und zu zeigen, was es vor den eigentlichen Themenparks schon alles gab. Der Faden, der alles miteinander verbindet ist in der Tat eine Unterhaltung im dreidimensionalen Raum: also die Umgebung selbst zu nutzen, um eine unterhaltsame Erfahrung zu erzeugen, die dann von jeder technologischen und kulturellen Innovation, die dazukommt, noch verstärkt wird. Eines der wichtigsten Dinge, die ich beim Schreiben dieses Buches gemerkt habe ist, dass sich meine persönlichen Gründe, aus denen ich Themenparks mag, nicht unbedingt mit den Gründen der anderen decken. Designer haben die Vorlieben von Themenparkbesuchern in drei Gruppen unterteilt: in Thrill Seeker (das sind Menschen, die große Fahrgeschäfte mögen und die körperliche Erfahrungen suchen), in Character Huggers (Menschen, die wegen der bekannten Charaktere und der ausgefeilten Geschichten kommen) und in World Traveller (Menschen, die sich gerne in exotische und fantastische Welten entführen lassen) und ich gehöre definitiv zur dritten Gruppe. Früheres Entertainment (ob das Freizeitparks, Filme, Bücher oder Gärten waren) konnten nur einen dieser drei Sektoren bedienen, Themenparks aber sind einzigartig, indem sie alle drei Sektoren an einem Ort zusammenbringen und uns so mit dem ganzen Körper in eine andere Welt eintauchen lassen.
Sind Themenparks Kitsch oder Kunst?
Torsten: Heutzutage stempeln viele Leute Themenparks als zu kitschig oder zu künstlich ab. Als das, damals noch Euro Disney genannte, Disneyland Paris gebaut werden sollte, wurde es von der französischen Presse sogar als ein “kulturelles Tschernobyl” betitelt. Aber genau diese Leute schütten oftmals großes Lob über Lustgärten und ähnliches aus. Dabei gab es doch in früheren Lustgärten auch sehr viele thematische Elemente. In der Hochzeit der sogenannten “Orientbegeisterung” haben wir in europäischen Lustgärten zum Beispiel nachgebaute Moscheen und Minarette gesehen, in mitteleuropäischen Gärten künstlich angelegte mediterrane Grotten, es gab einen “chinesischen Palast” und es gibt immer noch eine künstliche Burgruine in dem riesigen Komplex aus Schlössern und Gärten in der Lednice-Valtice Region in der Tschechischen Republik, der heutzutage als „der Garten Europas“ bezeichnet wird. Man kann auch sagen, dass Perraults Perystil am Louvre in Paris nach dem architektonischen Stil der römischen Antike gestaltet ist. Auch das Grand Trianon, oder zumindest einige seiner Elemente, in den berühmten Gärten von Versailles, erinnert an die Antike. Quer durch Europas Schlossgärten können überall Statuen alter griechischer Gottheiten bewundert werden. Dies sind nur einige wenige Beispiele, und es gibt noch viele mehr. Kannst Du Dir erklären, warum die Urteile über „frühere thematisch gestaltete Attraktionen“ und „moderne thematisch gestaltete Attraktionen“ so weit auseinandergehen?
David: Eine Zeit lang dachte ich, dass die Vielzahl der kulturellen Kritik an Themenparks auf einem Missverständnis darüber beruht, was ein Themenpark überhaupt erreichen will – besonders die Kritik von architektonischer Seite her, dessen Kritiker Themenparks nur unter diesem einen Aspekt betrachten (und die Parks somit aus architektonischer Sicht verurteilen) – dabei spielt die Architektur in einem Themenpark neben dem Set-Design, dem Geschichtenerzählen, der Beleuchtung oder jeglicher anderer Disziplin nur eine Rolle unter vielen. Da aber der Themenpark Teil einer „künstlichen Umwelt“ ist, kann der Ursprung dieser Fehlinterpretation gut nachvollzogen werden. Wenn man nun aber anfängt, Themenparks als Sprössling der Kinowelt zu betrachten, ergibt das alles mehr Sinn. Sämtliche thematische Designs zielen darauf ab, Dich körperlich in eine Geschichte zu versetzen, und das kann eben die kitschige Landschaft des Jungle Cruise oder der amerikanische Idealismus der Main Street, U.S.A. sein. Es spricht nichts dagegen das Medium Architektur wie andere Medien einzusetzen, um Geschichten und Erfahrungen auf einer tieferen Ebene rüberbringen zu können und genau dies haben auch viele Museen erkannt und in den 90ern damit begonnen, dieses Medium in ihr Design zu integrieren. Ich sage oft, dass der beste Themenpark im Vereinigten Königreich das Beamish Museum ist, obwohl es gar kein Themenpark ist! Es ist ein lebendes Freilichtmuseum, das es den Gästen durch den Gebrauch aller Techniken des Themenparkdesigns ermöglicht, in eine andere Zeit und einen anderen Raum einzutauchen, nur ohne Fahrgeschäfte.